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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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uff, dass Sie nischt
     schmutzig machen!«
    Er trat sich brav die Füße ab und trat ein. Der Rest der Frau war genauso dick wie der Kopf. Er zwängte sich irgendwie vorbei.
    »Warum wollense denn ausjerechnet zu mir?«, fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Seiense froh, dass mein Hermann
     jerade nich da is. Der hätt Ihnen wat erzählt! Hamse nischt Wichtijeres zu tun? Det hier ist ein anständjet Haus, wir haben
     noch nie was mit der Polizei zu tun jehabt.«
    An der Garderobe im Flur hing eine braune Uniformmütze.
    »Politisch tätig, der Herr Gemahl?«, unterbrach Rath ihren Redeschwall.
    »Muss man ja wohl, wo die Kommunisten immer frecher werden und die Polizei sie nich in den Griff bekommt.«
    Sie führte ihn in ein altmodisch plüschig eingerichtetes Wohnzimmer. Obwohl es auch hier nach Putzmittel roch, kam Rath die
     Wohnung irgendwie miefig vor. Die Frau schob ihr Gewicht hinter ihm her durch die Wohnzimmertür. Hindenburg hing an der Wand,
     daneben der Kaiser. Der Ex-Kaiser. Beide schauten den Besucher streng an. Rath musste an ihre Doppelgänger im Atelier König
     denken.
    »Dann setzense sich mal, Herr …«
    »Rath. Kriminalkommissar Rath.«
    »So. Sind Sie endlich den Liebigs aus’m Hinterhaus auf die Schliche jekommen?«
    Er versank fast in dem gelben Sessel.
    »Wie?«
    »Na, wenn dat keene Kommunisten sind, fress ick ’nen Besen! Der Liebig, der war ooch am ersten Mai auf der Straße. Obwohl’s
     verboten war. Aber jeschnappt hamse ihn nich, Ihre lieben Kollegen. Frech wie Rotze kam er zurück und spuckte jroße Töne, die rote Fahne noch injerollt untern Arm. Und seine Frau … Na,
     ick sag Ihnen!«
    »Vielen Dank! Ich werde Ihre Informationen weiterleiten …« Er glaubte nicht, dass sie seinen Sarkasmus bemerkt hatte. Staunend
     beobachtete er, wie ihr Gewicht das Polster des Sofas fast bis auf den Boden drückte. »… aber, liebe Frau Schäffner, mir geht
     es um etwas anderes …«
    Sie rutschte auf dem Sofa hin und her.
    »Aber viel Zeit hab ick nich. Sie haben mich mitten im Hausputz jestört.«
    »Ich suche nach einem Mann, der hier wohnen soll, es aber offensichtlich nicht tut.«
    Sie schaute ihn verständnislos an.
    »Sagt Ihnen der Name Alexej Iwanowitsch Kardakow etwas?«
    »Een Russe? Nee! Hier im Haus wohnt keen Russe.«
    »Niemand, der in den vergangenen zwei Monaten hier neu eingezogen ist?«
    »Hier nich. Im ersten Hinterhaus ist der Brückner ausjezogen, das heißt: mein Hermann hat die rote Sau rausjeschmissen, weil
     er die Miete nich bezahlen konnte. Da wohnt jetz een Neuer. Aber’n Deutscher, keen Russe.«
    »Kardakow ist schon lange in Deutschland. Vielleicht haben Sie gar nicht gemerkt, dass er Russe ist.«
    »Glauben Sie mir, so wat merk ick. Außerdem hat er ’nen deutschen Namen.«
    »Und welchen?«
    Sie überlegte.
    »Müller oder Möller. Irjendso’n Allerweltsname. Jetzt, wo Sie fragen, fällt mir auf, dass ick det jar nich so jenau weeß.
     Wahrscheinlich, weil ick den Mann noch nich jesehen hab. Ick kann mir Namen nur zusammen mit Jesichter merken.«
    »Sie haben ihn noch nie gesehen?« Rath konnte kaum glauben, dass dieser Frau überhaupt irgendetwas in diesem Haus entging.
     Herr Müller oder Möller musste unsichtbar sein. Oder Indianer.
    »Nee.« Sie zuckte mit den Schultern, als wundere sie sich selbst über diese Wissenslücke. »Aber mein Mann hatten bestimmt
     jesehen, der treibt ja ooch die Miete ein.«
    »Wie lange wohnt der Herr denn schon hier?«
    »Noch nich lang. Sag ick ja. Einen Monat vielleicht. Arbeitet als Nachtwächter, soviel ick weeß. Bei Osram, hat Hermann erzählt.
     Tagsüber schläft der. Da könnense alle im Haus fragen, der lässt sich kaum blicken.«
    »Eine Frage noch …« Er zog den Zeitungsausriss aus der Tasche und schob ihr das Foto des toten Russen über den Wohnzimmertisch.
     »Haben Sie diesen Mann vielleicht schon einmal gesehen?«
    Neugierig schaute sie auf das Bild. Sie schüttelte den Kopf. Dann erkannte sie ihn plötzlich wieder. »Det is ja der aus der
     Zeitung! Dieser arme Kerl, dense aus’m Kanal jeholt haben! Is det etwa Ihr Kardakow?«
    »Nein, das ist ein anderer Fall«, sagte Rath schnell und steckte den Zeitungsschnipsel wieder ein. Fehlanzeige. Er zeigte
     ihr das Hochglanzfoto. »Das ist Kardakow.«
    »Nie jesehn.«
    Eine Frage fiel ihm noch ein. »Sagen Sie … Haben Sie vor ein paar Tagen einen nächtlichen Streit mitbekommen? Hier vor dem
     Haus?«
    »Wir schlafen nach hinten raus. Vorn

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