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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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fragte er.
    »Wenn sie für Mordermittlungen eingesetzt werden, dann ja.«
    »Der Tote im Kanal?«
    Sie nickte.
    »Sie arbeiten wie eine Kriminalbeamtin?«
    »Nur manchmal. Aber bezahlt werde ich wie eine Stenotypistin. Und das immer.«
    »Und was sagen die Leute, die Sie befragen, dazu?«
    »Die kriegen das gar nicht mit. Ich bin immer mit einem Kriminalbeamten unterwegs, der seinen Ausweis zeigt. Heute durfte
     ich mit unserem Kriminalassistenten Gräf um die Häuser ziehen.«
    Rath nickte. Der Dicke kam zurück und wälzte sich ächzend auf seinen Stuhl.
    »Und was führt Sie in diese Gegend? Wohnen Sie etwa hier? Dann müsste ich auch Sie befragen.«
    Rath schaute den Dicken an, der gerade damit beschäftigt war, eine Stange Juno aufzureißen, und mit dem Papier kämpfte.
    »Ich hatte eine Verabredung«, sagte er.
    »Ist aber versetzt worden«, meldete sich der Mann im Kiosk und hielt ihr eine Sechserpackung Juno hin. »Wird hier selten gekauft«,
     murmelte er entschuldigend, drehte sich auf seinem Stuhl nach hinten und begann, die übrigen Packungen aus der Stange im Regal
     zu verstauen.
    Eine Zeit lang herrschte betretenes Schweigen. Rath tat nichts dagegen, das kam ihm gerade sehr zupass. Sollte sie ruhig glauben,
     der Dicke hätte ihn in Verlegenheit gebracht. Dann merkte sie wenigstens nicht, dass eigentlich sie die Ursache dafür war.
    »Zwanzig Pfennige«, meldete sich der Dicke aus seiner dunklen Höhle.
    Sie öffnete ihre Handtasche und kramte nach der Geldbörse. Rath nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich mit einem kurzen
     Tippen an den Hut.
    »Wir sehen uns dann Montag in der Burg«, sagte er.
    »Wahrscheinlich nicht. Montag hab ich Strafrecht«, erwiderte sie und schaute ihn an. Diese dunklen Augen. Er rätselte über
     ihre Antwort nach.
    »Na, jedenfalls schönes Wochenende«, wünschte er und machte sich auf den Weg.
    »Ihr Wechselgeld«, rief ihm der Dicke nach, als er die Straße überquerte, doch Rath tat so, als würde er den Mann nicht mehr
     hören. Er überquerte die Möckernbrücke, ging aber nicht zur Hochbahn hinauf. Sie würde garantiert mit der Bahn fahren, und
     er wollte nicht auch noch neben ihr sitzen. Er lief zu Fuß bis zum Anhalter Bahnhof und spendierte sich dort ein Taxi.
    Im Café Berlin schien kein Mensch mehr nüchtern zu sein. Wer nicht dem massenhaft ausgeschenkten Schaumwein zugesprochen hatte, der hatte
     sich in den eleganten Waschräumen die Nase mit Kokain gepudert. Die meisten hatten beides getan. Der Raum erstreckte sich
     über drei Etagen, ebenso die abstrakte Lichtskulptur an dem großen Wandpfeiler. Unten war das Tanzcafé mit der Weinstube verbunden,
     die als besondere Attraktion einen subtropischen Dschungel im Erdgeschoss wachsen ließ, der wirkte, als sei der benachbarte Zoologische Garten über seine Grenzen
     gewuchert. Wer sich von dem lauten Treiben ein wenig erholen wollte, der suchte den Teeraum auf oder die Cocktailbar in der
     ersten Etage. Getanzt wurde nur im zweiten Stockwerk, doch die Musik war überall zu hören, elegant fließender Swing, nicht
     so schnell und hektisch wie im Kakadu , das einem die Musik geradezu um die Ohren schlug. Ein Plakat wies darauf hin, dass die Excellos Seven hier so gesittet spielten.
    Rath stand im ersten Stock an der Brüstung und schaute auf die Tische im Erdgeschoss. Seine Rechte spielte mit einem Streichholzbriefchen,
     die Linke steckte in der Hosentasche. Er hatte vorhin noch ein Bad genommen und sich in Abendgarderobe geworfen. Weiß Gott,
     was die Behnke gedacht haben mochte, als er so aus dem Haus gegangen war.
    Während sein Blick über die Gesichter dort unten flog, dachte er an einen ganz anderen Ort. Und ein ganz anderes Gesicht.
     Obwohl mittlerweile einige Stunden vergangen waren, kreisten seine Gedanken immer noch um die Begegnung am Kiosk. Nicht weil
     er befürchtete, dass Böhm von seinem Ausflug an die Möckernbrücke erfuhr, das erschien ihm unwahrscheinlich, sie hatte ja
     nicht einmal nach seinem Namen gefragt. Nein, seltsamerweise waren es ihre Augen, die ihm nicht aus dem Kopf gingen. Dunkle,
     unergründliche Augen. Er kam sich vor wie in einem schlechten Liebesfilm, wo die Frauen den Männern schmachtende Blicke zuwarfen.
     Das hatte sie nicht getan, sie hatte ihn einfach nur angeschaut. Und trotzdem ließ ihn dieser Blick nicht los. Reiß dich zusammen,
     schalt er sich, nicht mit einer aus der Burg! Nicht mit einer Mitarbeiterin von Wilhelm Böhm!
    Der Knall eines

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