Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
hatte er gestern Nacht auch zu Charly
     gesagt. Als sie in sein Bett gefallen waren. Aber nicht, um zu schlafen.
    Er merkte, wie ihn allein der Gedanke daran wieder erregte. Es wurde Zeit, dass er diese Frau aus dem Kopf bekam! Wenigstens
     für ein paar Stunden. Er hatte zu arbeiten!
    Es sollte beim guten Vorsatz bleiben. Den ganzen Tag hatte er ihr hübsches Gesicht nicht aus seinem Kopf vertreiben können,
     sosehr er sich auch bemüht hatte. Immer wieder hatte Bruno ihn beim Träumen ertappt. Und dabei ging es um die Planung der
     Razzia! Selbst Jänicke schien zu merken, dass mit Rath etwas nicht stimmte. Am schlimmsten war es, als er ihr einmal auf dem
     Gang begegnete.
    Er siezte sie, grüßte höflich und distanziert, so wie sie es besprochen hatten.
    Und sie? Sie zog ihn an seiner Krawatte in ein Büro und küsste ihn. Gott sei Dank war es leer.
    »Wenn jemand kommt«, sagte Rath und schaute sich um.
    »Keine Angst, der Kollege ist beurlaubt.«
    Bevor er die Tür schloss, schaute er auf den Gang. Niemand hatte etwas gesehen.
    Dann fielen sie sich in die Arme.
    »Ich will dich heute Abend sehen«, sagte sie.
    »Geht aber leider nicht. Du weißt doch. Die Besprechung.«
    »Ich weiß. Dienst ist Dienst. Das musst du einer alten Preußin nicht sagen.«
    »Genau. Und für den Schnaps bleibt heute leider keine Zeit.«
    »Dann will ich jetzt noch ein bisschen Schnaps«, sagte sie und küsste ihn wieder.
    Mit einer Erektion hatte er schließlich über den Gang zurück in sein Büro humpeln müssen, froh, niemandem zu begegnen. Als
     er dort ankam, konnte er zwar wieder normal gehen, war aber immer noch völlig durcheinander. Nun ging gar nichts mehr. Schließlich
     hatte Bruno ihn nach Hause gelassen. Zum Glück. So hatte er sich besser auf den Abend vorbereiten können. Seine wirren Gedanken
     etwas sortieren.
    Auch im Plaza hätte er sie gern neben sich gehabt. Obwohl er natürlich wusste, dass das nicht ging. Niemand aus der Burg wusste, dass er
     hier war, und schon gar nicht, warum er hier war. Und es durfte auch niemand wissen. So saß er an der Bar im Foyer des Varietés,
     nippte an seinem Americano und dachte an Charly.
    Das Bühnenprogramm war ihm noch langweiliger erschienen als am Sonntag, fünf Tage zuvor. Diesmal war Rath aufgestanden, als
     der einsame Cowboy auftrat. Seine Nachbarn im Zuschauerraum hatten sich über den Knödeltenor noch amüsieren können und getuschelt
     und gelacht. Diesmal hatte sich keine Blockflötenlehrerin neben ihn gesetzt, sondern ein Mann mit Monokel und grauem Bart,
     den eine junge elegante Frau begleitete. Unübersehbar aus dem Westen. Denen würde das Lachen auch noch vergehen, dachte er,
     als er sich an ihnen vorbei zum Ausgang drängte.
    Er sollte recht behalten: Keine fünf Minuten später kamen auch sie an die Bar. Der Monokel-Mann setzte sich auf den Barhocker
     neben ihn, die Frau einen Platz weiter. Rath bestellte noch einen Americano. Für heute hatte er sich nach dem Reinfall am
     Sonntag eine andere Taktik überlegt. Und dafür war die Bar der richtige Ausgangspunkt. Den meisten Leuten, die sich im Foyer
     betranken, konnte man ansehen, dass sie Besucher aus dem Westen waren. Obwohl das Plaza eine harmlose Insel inmitten einer Gegend verruchter Lokale war, schauten sie sich immer wieder verstohlen um, als erwarteten
     sie jeden Augenblick eine Messerstecherei, mindestens aber eine Schlägerei oder eine Polizeirazzia. Dieses Volksvarieté hatte
     allerdings ganz und gar nichts Verruchtes. Eine Enttäuschung. Die junge Frau schien ähnlich zu denken.
    »So aufregend ist es hier aber nicht, Schnucki«, sagte sie zu dem Monokel-Mann.
    Schnucki nippte an seinem Glas und strich sich gedankenverloren durch den grauen Bart.
    »Du hast recht, mein Engel. Ich bin aus dieser Gegend auch anderes gewohnt. Das hier ist ja ein ganz biederer Amüsierbetrieb.
     Halbach hätte uns warnen sollen. Nicht mal Champagner, nur klebriger Sekt. Wir sollten austrinken und gehen. Ich kenne da
     ein Etablissement, da wirst du Augen machen!«
    »Vor allem müsste ich mir dringend mal die Nase pudern«, sagte der Engel und lachte nervös.
    »Dann sollten wir schnell austrinken.«
    Rath wurde hellhörig. Nase pudern war eines der Stichwörter,auf die er gewartet hatte. Er ließ die Schachtel Overstolz, die er gerade aus der Jacke fischen wollte, zurück in die Innentasche
     gleiten.
    »Entschuldigen Sie«, sprach er den Graubärtigen an, der direkt neben ihm saß. »Zufällig habe ich Ihr

Weitere Kostenlose Bücher