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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ja wahrscheinlich auch nichts Gutes bedeuten, wenn die Polizei sie findet.« In seinem Gesicht wechselten
     Hoffnung und Enttäuschung einander ab. »Ich mache mir Sorgen um sie. Nachdem wir aus dem Delphi raus mussten, ist sie einfachnicht mehr aufgetaucht. Dabei wusste sie, dass wir ein neues Engagement gefunden hatten.«
    »Was meinen Sie mit nicht mehr aufgetaucht?«
    »Wir spielen seit zwei Wochen im Europa-Pavillon . Vorher haben wir hier ein paar Mal geprobt. Sie kannte die Termine, doch sie ist nicht gekommen. Das hat sie vorher noch
     nie gemacht. Und wir haben fast zwei Jahre zusammengearbeitet.«
    »Haben Sie nicht versucht, Sie zu erreichen?«
    »Natürlich. Aber das war zwecklos. In ihrer Wohnung waren Sie ja wahrscheinlich auch schon, fast alles ist noch da, nur sie
     fehlt. Und ein paar Sachen. So als wäre sie verreist.«
    »Sie waren in ihrer Wohnung?«
    »In Kreuzberg. Luisenufer. Ich habe einen Schlüssel.«
    Rath nickte. Er hätte wetten können, dass er die Hausnummer kannte.
    »Nicht, was sie denken«, beeilte sich Tretschkow zu erklären. »Wir sind einfach Kollegen. Und Freunde.«
    »Am Luisenufer«, wiederholte Rath, »aber da wohnt sie nicht unter dem Namen Lana Nikoros …«
    »Nein, das ist nur ihr Künstlername. Eigentlich heißt sie Sorokin. Swetlana Gräfin Sorokina. Ein bekannter Name in Russland
     …«
    Das Sorokin-Gold! Rath konnte es kaum fassen. Lana Nikoros war eine aus der Sorokin-Sippe! Die Freundin von Alexej Kardakow!
    Der Musiker hatte seine Erregung nicht bemerkt, er redete weiter: »… und deswegen lebt sie natürlich inkognito in Berlin,
     deswegen steht auch ein Allerweltsname an ihrer Wohnungstür. Sonst hätten die Sowjets sie längst aufgespürt.« Er klang so,
     als wäre genau das seine Befürchtung.
    »Was will Stalin denn von ihr?«, fragte Rath.
    »Was er will? Sie gehört einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes an. Darf ich Sie daran erinnern, was die Bolschewiken
     mit den Romanows gemacht haben!«
    Er war zu lange weggeblieben. Eine Frau wie Charlotte sollte man nicht alleine lassen. Als er zurückkam, saß da jemand bei
     ihr amTisch. Ein öliger, schmieriger Typ mit Nussknackerlachen. Irgend so ein halbseidener Angeber, der sich unglaublich toll vorkam
     und nicht merkte, dass er Charlotte anwiderte. Rath hasste solche Typen und spürte, wie die Wut in ihm hochstieg. Oder war
     es Eifersucht? Er wischte den Gedanken beiseite.
    »Entschuldigen Sie, aber dieser Tisch ist reserviert. Würden Sie uns bitte allein lassen.«
    Der Mann lachte nur. »Ist die Dame etwa auch reserviert?«
    Rath sah es dem Schmierlappen an seinen Augen an: Die große Klappe war nur geborgt, die hatte er sich vorhin in Pulverform
     auf dem Klo reingezogen.
    Er beugte sich zu dem Mann hinunter. Dann griff er ihm so schnell in den Schritt, dass der Kerl, bevor er reagieren konnte,
     nur noch mit zusammengepressten Zähnen dasaß und es nicht wagte, sich zu bewegen. Das alles spielte sich im Schatten der Tischdecke
     ab, sodass Charlotte es nicht sehen konnte.
    »Hör mir mal zu, mein kleiner Schneemann«, flüsterte Rath dem nach Luft japsenden Mann leise zu, den Mund ganz dicht an dessen
     Ohr, und klang dabei wie die Liebenswürdigkeit in Person. »Du warst so dämlich, dich mit deinem Koks zu Bullen an den Tisch
     zu setzen. Wenn du nicht in zehn Sekunden diesen Laden hier verlassen hast, dann wirst du nicht nur die nächsten Wochen Schmerzen
     beim Pinkeln haben, dann werde ich auch dafür sorgen, dass du hinter Gitter wanderst. Hast du mich verstanden?«
    Die letzte Frage unterstrich er, indem er seinen Schraubstockgriff noch fester anzog. Der Lackaffe nickte eifrig. Er war blaurot
     angelaufen, selbst der Kopfhautstreifen, den sein schnurgerader Scheitel sehen ließ, hatte sich verfärbt.
    »Also«, flüsterte Rath, »wenn du das nächste Jahr nicht im Bau verbringen willst, dann verziehst du dich, sobald ich loslasse,
     aber nicht ohne dich vorher vor der Dame höflich zu verbeugen!«
    Der Mann nickte wieder, und Rath ließ los. Der Gigolo stand auf, schaffte es tatsächlich noch, so etwas wie eine Verbeugung
     vor Charlotte hinzukriegen, und ging hinunter ins Vestibül, mitflinken, aber seltsamen Schritten, die aussahen, als habe er in die Hosen gemacht. Sie schaute ihm irritiert nach.
    »Dem ist wohl der Alkohol zu Kopf gestiegen«, sagte Rath, als er sich wieder zu Charlotte setzte. Die schien beeindruckt.
    »Machen Sie das mit allen Leuten, die Ihnen in die Quere

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