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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Champagner, drei Gläsern und einer kleinen silbernen Zuckerdose zurück. Der Generaldirektor
     trug offenbar seine Spendierhosen. Nachdem sie mit Champagner angestoßen hatten, reichte er die Zuckerdose zunächst seinem
     Engel, dann auch Rath.
    »Sie sehen: Hier steht Kakao auf der Karte«, sagte er, »und zwar sehr guter! Probieren Sie ruhig, lieber Freund.«
    Rath zögerte. Er hatte noch nie Kokain genommen. Andererseits durfte er jetzt nicht kneifen. Da konnte er genauso gut gleich
     seine Marke vorzeigen oder wieder nach Hause gehen.
    »Keine falsche Bescheidenheit«, meinte der Graubärtige. »Nehmen Sie! Wir Charlottenburger sollten in Gegenden wie dieser zusammenhalten.«
    Rath gab sich einen Ruck und nahm eine kleine Prise aus der Dose. Da musste er nun durch. Engel war bereits dabei, sich auf
     einem Taschenspiegel eine kleine Bahn zurechtzulegen, an die sie ein silbernes Röhrchen anlegte.
    Er hatte mit allem Möglichen gerechnet. Damit, Sterne zu sehen, bunte Farben, helle Lichter oder so etwas, doch alles, was
     er spürte, als er das weiße Pulver durch die Nase zog, war ein taubes Gefühl. Seine ganze Nase war betäubt, er hätte es nicht
     einmal gemerkt, wenn jemand sie abgeschnitten hätte. Und dann spürte er, wie das Kokain in seinem Hirn andockte. Mit einem
     Schlag war er hellwach, es war, als habe jemand die Musik lauter gestellt, unddennoch konnte er die vielen durcheinander sprechenden Stimmen deutlicher verstehen als vorher. Er fühlte, wie Energie und
     Lebenslust förmlich aus ihm heraussprühen wollten.
    Auch die junge Frau war wie verwandelt. Plötzlich konnte sie lächeln, was ihr einen Charme verlieh, den er ihr niemals zugetraut
     hätte. Erst jetzt merkte er, wie jung sie eigentlich war. Höchstens zwanzig. Und der Generaldirektor ging mindestens auf die
     fünfzig zu, wenn nicht sogar auf die sechzig.
    »Ich möchte tanzen, Schnucki!«, sagte sie.
    Der Generaldirektor winkte ab. »Nicht mit mir! Was ist mit Ihnen, junger Freund?«
    Da zog der Engel ihn schon vom Tisch. Die Tanzfläche befand sich am anderen Ende des Saals, direkt vor der Empore mit der
     Kapelle. Ekstatisch tanzende Menschen zappelten neben eng umschlungenen Liebespaaren. Sie zog ihn sofort zu sich heran und
     legte ihre Arme um seinen Nacken.
    »Sie sind ein ganz Süßer, wissen Sie das?«
    »Da sind Sie nicht die Erste, der das auffällt.«
    Er versuchte, sich von ihren Armen zu befreien, doch das war ungefähr so vergeblich wie der Kampf gegen eine Riesenkrake.
    »Oh, was haben Sie denn da!« Zu spät. Das Schulterholster. Sie schaute ihn an, als errege sie die Waffe. »Da können Sie ja
     von Glück reden, dass die Gorillas am Eingang uns nicht gefilzt haben! Sind Sie etwa ein Ganove? Oder ein Bulle?«
    »In dieser Gegend kann man nicht vorsichtig genug …«
    Noch bevor er den Satz beenden konnte, hatte sie ihm ihre Zunge in den Mund geschoben. Es dauerte etwas, bis er sich befreit
     hatte. Sie lachte ihn an.
    »Schießen Sie doch, wenn ich Ihnen zu gefährlich werde!«
    Und schon hatte sie eine Hand in seinem Schritt.
    »Sie haben da ja noch eine Waffe«, keuchte sie an seinem Ohr, »sollen wir die nicht mal ausprobieren!«
    Es reichte ihm. Für das wilde Leben war er offensichtlich nicht geschaffen. Er riss sich los und ließ sie stehen. Es schien
     ihr nichts auszumachen. Er hörte ihr Lachen, als er sich einen Weg durch denSaal bahnte. Gut, dass es dunkel war. Als er den Tisch erreichte, war seine Erektion wieder verschwunden. Auf der Bühne hatte
     ein Cowboy den Indianer inzwischen in ein Lasso gewickelt. Die vom Marterpfahl befreite Frau bedankte sich gerade bei ihm.
     Der Generaldirektor schaute interessiert zu.
    »Das ging aber schnell«, sagte er, als er Rath bemerkte. »Sie müssen entschuldigen. Vivian kann manchmal etwas anstrengend
     sein, dann überlasse ich sie lieber anderen. Aber amüsant ist sie, nicht wahr! Wenn sie sich ausgetobt hat, sammel ich sie
     wieder ein. Dann ist sie genau richtig für mein Alter. Ich muss an mein Herz denken, sagt der Doktor.«
    Rath setzte sich. »Sie kennen sich aus.«
    »Man muss das Leben studieren, werter Freund! Und das geht am besten an solchen Orten! Und Sie? Sie sind zum ersten Mal in
     dieser Gegend?«
    »Zumindest um diese Tageszeit.« Er zog das Foto aus der Jackentasche und legte es neben die Zuckerdose auf den Tisch. »Eigentlich
     suche ich ja diesen Mann hier. Ein Russe. Alexej Kardakow. Der soll hier öfters verkehren.«
    »Verstehe!« Der

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