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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Gespräch mit angehört.
     Sie kennen ein Lokal hier in der Nähe?«
    Der Mann musterte ihn misstrauisch.
    »Wissen Sie«, fuhr Rath fort, »ich finde hier keinen Kakao auf der Karte. Am Tauentzien kenn ich mich aus, aber hier in der Gegend …«
    Der Mann schien ihn verstanden zu haben. Er schaute freundlicher.
    »Sie sind wohl auch aus Charlottenburg, was?«
    Rath nickte.
    Der andere klopfte ihm jovial auf die Schulter.
    »Mein lieber Mann, ich lasse ja auf einen wilden Abend im geliebten Charlottenburg nichts kommen, aber hier gibt es ein Lokal,
     davon können wir im Westen nur träumen. Bei uns hätten die Polypen das längst ausgehoben, aber hier trauen sich die Blauen
     ja nicht ran. Unser Glück! Im Venuskeller gibt es alles, was Sie für Ihr Glück brauchen. Und wenn ich sage alles, dann meine ich alles.«
    Sie mussten nicht weit laufen. Schnucki führte sie in die Posener Straße. Dort steuerte er zielsicher eine heruntergekommene
     Mietskaserne an. Der Stuck bröckelte schon von der Fassade. Keine Neonreklame, keine Schilder, nichts deutete in irgendeiner
     Form auf Nachtleben hin. Nichts außer ein paar dunklen Gestalten. Männer, die man kaum bemerkte, lungerten an den Straßenecken
     und in den Häuserschatten herum, einer auch in der Toreinfahrt, durch die sie nun hindurchwollten. Er war durchaus elegant
     gekleidet, unter einem leichten Mantel trug er Abendanzug und Fliege. Von der Statur her erinnerte er jedoch eher an einen
     Boxer als an einen Kavalier, seine Augen waren unter dem Schatten der Hutkrempe nicht zu sehen, wohl aber ein massives Kinn.
     Rath war auf alles gefasst, auf einen ansatzlosen Schlag in die Magengrube oder einenPistolenlauf an der Schläfe, nur nicht auf das, was dann kam: Der Mann war von ausgesuchter Freundlichkeit.
    »Herr Generaldirektor beehren uns mal wieder?«
    Schnucki war sichtlich stolz, dass man ihn hier kannte. Er wuchs um mindestens zwei Zentimeter.
    »Muss sein, muss sein, mein Lieber. Will meinen Freunden mal zeigen, wo richtig gefeiert wird.«
    Der Engel guckte gelangweilt. Rath war sich nun sicher, dass sie keine Luxusnutte war, sondern eine verwöhnte höhere Tochter
     auf Abenteuerkurs, die der Alte da aufgegabelt hatte. Seine Frau war sie jedenfalls nicht.
    »Natürlich, Herr Generaldirektor. Viel Vergnügen.«
    Der Mann machte den Weg frei, und sie gingen in den Innenhof. In einem Kellerabgang brannte ein rotes Licht. Unten war eine
     Eisentür. Herr Generaldirektor klopfte. Zweimal lang, dreimal kurz, Pause, dreimal kurz, einmal lang, zweimal kurz.
    Die Tür öffnete sich geräuschlos, und mit einem Mal drangen dumpfes Stimmengewirr und der abgedämpfte Lärm wilder Jazzmusik
     nach draußen. Ein Mann schaute sie an, gegen den der Gorilla auf der Straße ein Kapuzineräffchen war. Erst nachdem er sie
     eingehend gemustert hatte, trat er beiseite und ließ sie passieren. Die Musik kam immer näher, als sie durch einen schwarzen
     Gang schritten. Rote Lampions an den Wänden warfen ein schummriges Licht. Eine Garderobiere nahm ihnen die Mäntel ab, dann
     schob ein livrierter Diener einen schweren Ledervorhang beiseite, der bis zum Boden reichte.
    Von einem Moment auf den anderen wurde die Geräuschkulisse lauter. Sie mussten ihre Stimmen anheben, um sich zu unterhalten.
     Der große Raum, den sie betraten, wirkte überhaupt nicht wie ein Keller, sondern eher wie ein in rotes Licht getauchter Thronsaal.
     Ein mächtig überfüllter Thronsaal allerdings. Überall an den Wänden schossen Amorfiguren aus Gips ihre Pfeile ab. Ein Kellner
     führte sie an einen Tisch direkt an der Bühne, die die Form einer großen Muschel hatte. Dort vergnügte sich ein falscher Indianer
     gerade mit einer echten Weißen, die zwar mit den Händen an einen Marterpfahl gebunden, ansonsten aber sehr zugänglich war. Der Venuskeller schien sich in der Wahl seiner Themen eng an das Plaza anzulehnen. Aber vielleicht war es ja auch umgekehrt.
    »Na, habe ich zu viel versprochen?«, sagte der Generaldirektor, als sie saßen und er den Kellner mit einem Hundertmarkschein
     auf die Reise geschickt hatte. Die Darbietungen auf der Bühne schienen ihn nicht sonderlich zu überraschen. Rath dagegen hatte
     es die Sprache verschlagen, obwohl er von seiner Arbeit bei der Sitte einiges gewöhnt war. Selbst der Engel schien an den
     Wangen ein wenig rot geworden zu sein. Vielleicht war es auch nur das Licht. Ihre Augen sahen immer noch gelangweilt aus.
    Der Kellner kam mit einer Flasche

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