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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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noch nicht aufgegeben. Rath zog sich weiter in das Innere des Hofes zurück, die Toreinfahrt immer fest
     im Blick. Er musste sich selbst verstecken, musste seinen Verfolger überraschen.
    Er schaute sich um. Es war kein normaler Hinterhof, auf den er hier geraten war. Im schummrigen Licht der Hofbeleuchtung erkannte
     er einen Bauzaun, dahinter wurde offensichtlich ein Neubau hochgezogen. Und davor stand ein Bauwagen. Noch ein Blick auf die
     Toreinfahrt, in der immer noch keine Silhouette erschienen war, dann drehte er sich um und war mit wenigen Schritten im Schatten
     des Bauwagens. Das Tor hatte er von hier aus gut im Blick. Es hatte wieder zu regnen begonnen.
    Rath musste nicht lange warten, da sah er ihn. Der Schatten eines Mannes in Hut und Mantel. Keine Schlägermütze, ein ganz
     normaler breitkrempiger Hut, neueste Mode. Einer von Marlows Leuten? Ob Dr. M. ihm Benno oder einen ähnlich freundlichen Zeitgenossen
     hinterhergeschickt hatte?
    Der Mann war stehen geblieben. Offensichtlich überlegte er, ob er durch die Hofeinfahrt gehen sollte. Und dann kam er, immer
     noch langsam und vorsichtig, nah an der Hauswand entlang, sich immer wieder suchend umschauend. Rath knöpfte Mantel und Jackett
     ein wenig auf und löste den Druckknopf an seinemSchulterholster. Er wartete, bis der Mann den Hof erreicht hatte, und entsicherte seine Mauser. Mit gezogener Waffe trat er
     aus dem Schatten des Bauwagens.
    »Suchen Sie mich?«
    Der Unbekannte blieb stehen, die Überraschung war geglückt. Er drehte den Kopf, schien zu überlegen, ob er noch fliehen konnte.
     Und dann kam er näher. Schweigend.
    »Halt! Bleiben Sie stehen!«
    Rath richtete die Pistole auf den Fremden.
    Der Mann war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Nicht besonders groß. Benno war das jedenfalls nicht.
    »Nun erzählen Sie mir doch mal in aller Ruhe, warum Sie mich verfolgen …«
    Der Mann sagte nichts. Stattdessen machte er einen weiteren Schritt nach vorn.
    »Stehen bleiben habe ich gesagt!«
    Raths Stimme war lauter geworden. Der Mann schwieg immer noch. Aber wenigstens blieb er jetzt stehen.
    »Wir können uns auch auf dem Präsidium unterhalten, wenn es Ihnen hier zu ungemütlich ist«, sagte Rath. »Dann brauchen Sie
     sich auch keine Sorgen mehr zu machen, wo Sie die Nacht verbringen.«
    Er konnte die Augen im Hutschatten immer noch nicht erkennen. Aber der schmale Mund hatte gezuckt. Beim Wort Präsidium . Es war nur eine Drohung, Rath hatte nicht ernsthaft vor, den Mann mit zum Alex zu nehmen.
    Und dann dachte er für einen Moment, er wäre derjenige, den man in eine Falle gelockt hatte.
    Hinter sich hörte er ein sattes Klirren, eine kleine, nasse Explosion.
    Instinktiv drehte er den Kopf. Kein Mensch zu sehen, nur eine weiße, zischende Pfütze auf dem Pflaster und rotbraun leuchtende
     Scherben. Oben wurde ein Fenster zugeknallt.
    Im selben Augenblick wurde er angegriffen.
    Er wusste es, noch bevor er den Angreifer spürte, doch es warzu spät. Ein harter Griff umklammerte seinen rechten Unterarm und riss ihn zur Seite, drehte die Mündung der Pistole schmerzhaft
     nach unten. Rath verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Das geschah so langsam, als sei die Zeit zu einem zähfließenden
     Brei gefroren. Er schien Minuten zu brauchen, bevor er auf den nassen Steinen aufschlug.
    Noch im Fallen löste sich der Schuss. Ein Reflex. Er hatte einfach abgedrückt. Ohne zu zielen. Ohne überhaupt zu wissen, was
     gerade geschehen war.
    Es war ohrenbetäubend laut.
    Mit dem Knall hörte er ein lautes metallenes Geräusch, fast wie ein Gong, und dann das Zzzzinnng eines Querschlägers.
    Rath fiel endlos und spürte, wie sich der Griff des anderen löste. Auch sein Verfolger stürzte zu Boden. Keinen Meter neben
     ihm schlug er auf dem Pflaster auf.
    Rath rappelte sich schnell auf, bereit für den nächsten Angriff. Die Mauser hatte er immer noch in der Hand. Jetzt konnte
     er wieder zielen, den angriffslustigen Terrier in Schach halten. Doch der Mann blieb liegen. Der Hut war ihm vom Kopf gerollt
     und gab ein Gesicht frei, das Rath immer noch nichts sagte. Ziemlich dünne Lippen, eine schiefe Nase, die auf viele Prügeleien
     hindeutete, ein weit aufgerissenes Auge. Nur eines. Dort, wo das andere Auge gewesen sein musste, klaffte ein dunkles Loch,
     in dem es feucht glänzte. In dem mageren Licht sah das Blut, das in einem dünnen Rinnsal über das bleiche Gesicht lief, fast
     schwarz aus.
    Rath stand da und hielt sich das rechte

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