Der Nautilus-Plan
angehende al-Qaida-Selbstmordattentäterin. Sie war eine junge Lehrerin, die in ihrer Freizeit freiwillig in Krankenhäusern und Suppenküchen half. Sie hatte noch das ganze Leben vor sich, und sie hatte das Gesicht eines Engels. Wie geschaffen für Titelseiten und Fernsehnachrichten. Die ideale Märtyrerin.«
»Wollen Sie damit etwas sagen?«, fragte Ada kalt.
»Was ich damit sagen will, ist: Ich habe es vielleicht versäumt, einem dreisten Banker Händchen zu halten, aber ich habe meine Arbeit getan. Ich wurde in die Globalisierungsgegner-Szene eingeschleust, weil wir uns Sorgen machten, die Bewegung könnte eine Brutstätte für terroristische Gruppierungen werden. Richtig?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Das war mit ein Grund.«
»Mit der Hauptgrund, würde ich sagen. Der an Fanatismus grenzende Eifer, den ich gestern Abend beobachtet habe, sollte uns ein Warnsignal sein. Viera Jozef hat zu extremen Mitteln gegriffen, um auf die Forderungen der Globalisierungsgegner aufmerksam zu machen, und wenn Sie morgen die Schlagzeilen sehen, werden Sie merken, dass ihr Opfer seinen Zweck erfüllt hat. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn mehr Globalisierungsgegner ihrem Beispiel folgen würden. Es würde nicht lange dauern, bis sie ihr Gewaltpotential nicht mehr gegen sich selbst richten, sondern gegen diejenigen, denen sie die Schuld an ihren Problemen anlasten. Und was wird erst geschehen, wenn sie auch noch den nächsten Schritt tun und sich zusammenschließen, um ihre Ziele gemeinsam zu verfolgen? Wenn es dazu kommt, könnte es schlimmer werden als in den Sechzigerjahren, als Europa und die Vereinigten Staaten sehr dicht am Rand eines Abgrunds standen.«
Ada schüttelte aufgebracht den Kopf. »Sie übertreiben. Diese Leute sind zu schwach, zu glücklich, um sich als Opfer zu sehen. Außerdem sind Institutionen wie der IWF und die Weltbank erheblich besser in der Lage, etwas gegen die Armut und die anderen Probleme der Dritten Welt zu unternehmen, als diese flennenden Erwachsenen und ahnungslosen Kinder, die wir gestern Abend vor der Botschaft ihre Schlagworte skandieren gesehen haben. Wenn es ihren Wortführern nicht gelungen ist, mich zu überzeugen, wird ihnen das auch bei vielen anderen nicht gelingen. Was macht es da also schon, wenn sie einmal ein bisschen für Schlagzeilen sorgen? Sie bellen trotzdem mit den Hunden.«
»Trotzdem könnten diese Hunde, wie Sie sie nennen, plötzlich von der Leine gelassen werden. Man sollte das Potential eines Underdogs nie unterschätzen. Vor allem nicht, wenn sich dieser Underdog in die Enge getrieben fühlt.«
Sie wandte sich ihm zu. Ihm gefiel der Blick in ihren Augen nicht. Ihr Ton war eisig. »Sie entschuldigen das, was Sie getan haben, indem Sie mir Informationen bringen. Damit wollen Sie nur von Ihrem Versagen ablenken. Ich habe meine Leute das Filmmaterial prüfen lassen, das die Medien gestern Abend aufgenommen haben. Wie nicht anders zu erwarten, haben einige Kameraleute und Fotografen auch Sie aufgenommen. Ich muss meine Beziehungen spielen lassen, was ich gerade wegen etwas, was nie hätte passieren dürfen, am allerwenigsten gern tue.« Sie machte weit hinten in ihrer Kehle ein frustriertes Geräusch. »Selbst wenn ich jeden Fitzel Film ausfindig mache und vernichten lasse, sollten Sie nicht vergessen, dass Sie nur beim Betreten der Botschaft geschützt waren. Es ist durchaus möglich, dass jemand mitbekommen hat, wie Sie nach draußen geschlichen sind und an der Demo teilgenommen haben. Bei dieser ungeheuren Medienpräsenz wird sich natürlich jemand, der Sie vielleicht gesehen hat, schon seine Gedanken machen. Das war unverzeihliche Schlamperei, Simon.«
»Ich mache meine Arbeit.«
»Genau das ist das Problem. Für Sie ist es nur ein Job. Sie tun zwar so, als bedeutete Ihnen Ihre Arbeit etwas, aber in Wirklichkeit ist das Ganze nur ein Spiel für Sie. Sie haben keine klare Meinung zu dem, was diese Leute, die Sie seit drei Jahren ausspionieren, eigentlich tun. Sie halten ihr Tun nicht für richtig oder falsch. Und genauso denken Sie über unsere Regierung. Wo ist der wirkliche Simon Childs? Wo versteckt er sich?«
Ada konnte einem wirklich auf die Nerven gehen. »Mir liegt sehr wohl etwas an England. Das müsste Ihnen doch eigentlich genügen. Gibt es sonst noch etwas, worüber Sie mit mir sprechen wollen?« Bei dem Gedanken an Loyalität und England füllte ein dumpfer Schmerz seine Brust, derselbe Schmerz, den er mit dem Tod seines Vaters in
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