Der Nautilus-Plan
auf Viera eingelassen! Du bist ein Spitzel!« Seine Hände schossen zu Blases Hals hoch.
Als wäre er mit kaltem Wasser übergossen worden, war Blase sofort hellwach. Andere in der Zelle hatten Johanns Anschuldigung gehört. Sie starrten ihn mit wachsendem Argwohn an. Blase hielt Johanns Handgelenke mit beiden Händen umklammert und versuchte, ihn von seiner Kehle fernzuhalten.
»Du irrst dich«, stieß Blase mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich hatte eine Aktion geplant. Den Smoking hatte ich nur an, weil ich sie irgendwie bequatschen wollte, mich in die Botschaft zu lassen. Dort hätte ich dann Weaver, dieses Schwein, zur Rede gestellt. Wenn die Demo nicht aus dem Ruder gelaufen wäre, hätte das auch geklappt. Wenn Viera nur nicht …« Er blinzelte, setzte neu an, sprach schneller. »Zunächst wollte ich warten, bis Weaver im Kreis all der anderen Profiteure gestanden hätte, um ihn schließlich aufzufordern, unsere Petition zu unterschreiben. Natürlich hätte er mich abzuwimmeln versucht, aber ich hatte vor, ihm so lange auf die Nerven zu gehen, bis jemand die Marines gerufen hätte. Es wäre zu einem Handgemenge gekommen, und sie hätten mich rausgeworfen. Die Presse wäre begeistert gewesen. Sie hätten sich darauf gestürzt wie ein Hund auf einen Knochen. Ich konnte die Schlagzeile schon vor mir sehen: ›Chef der reichsten Bank der Welt weigert sich, den Armen zu helfen‹.«
Einen Augenblick lang lächelte Johann. »Das wäre genau das Presseecho gewesen, das wir gebraucht hätten.«
Auf Johanns Bemerkung hin ging die wachsende Anspannung in der Zelle wieder zurück.
Blase ließ die Hände sinken. »Einen Versuch wäre es jedenfalls wert gewesen.« Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz. »Wie konnte sie bloß vor uns beiden verbergen, was sie vorhatte, Johann?«
Johanns Schultern sackten nach unten. »Viera konnte Geheimnisse sehr gut für sich behalten«, sagte er bedrückt und sank gegen die Wand zurück.
Alle sahen die zwei Männer mit tiefem Mitgefühl an. Der Bruder und der Geliebte.
»Wenn Viera sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte es ihr niemand mehr ausreden«, erklärte Blase.
Johann nickte deprimiert und blickte zu Boden. Dann sah er sich um, als hoffte er, jemand könnte ihm das Unerklärliche, das Unerträgliche erklären.
Blase seufzte schwer. Als Johann sich dem Mann auf seiner anderen Seite zuwandte, sah Blase, dass alle Festgenommenen sich in ihr Los fügten und sich gegenseitig im Sitzen und Stehen abwechselten. Sobald seine Wut und seine Scham nachzulassen begannen, erinnerte er sich an die Hand, die in seine Gesäßtasche geglitten war.
Er blickte sich um und stellte fest, dass ihn gerade niemand beobachtete. Er fasste in seine Gesäßtasche und zog einen zerknüllten Zettel heraus, auf dem stand: »Sir Robert wurde ermordet. Wenn Sie wissen wollen, wer es war, treffen Sie sich mit mir.« Blase sog scharf die Luft ein. Eine Unterschrift fehlte, aber der Nachricht folgte eine Wegbeschreibung zum St.-Martins-Dom. Dort wollte der Schreiber dieser Zeilen um fünf Uhr morgens in der ersten Kapelle auf ihn warten. Die Nachricht war mit Bleistift und in sauberen Druckbuchstaben auf Englisch geschrieben.
Scheppernd ging die Zellentür auf. Blase schaute auf und steckte den Zettel in seine Tasche zurück. Alle drehten sich herum. In der Zelle trat ominöse Stille ein, als vier uniformierte Polizisten hereindrängten. Drei von ihnen packten zwei Männer, die sich auf Deutsch unterhalten hatten.
Der vierte kam auf Blase zu. »Sie! Ja, Sie. Kommen Sie«, wurde er auf Slowakisch aufgefordert.
Als Blase nicht rasch genug aufstand, packte ihn der Polizist am Revers und schleuderte ihn gegen die Zellentür. Blase riss die Hände nach vorn, um sich Halt zu verschaffen und auf den Beinen zu bleiben, bis er das Gitter erreichte. Die Tür wurde aufgeschoben, und der Polizist schlug Blase mit dem Unterarm auf den Rücken, sodass er auf den Flur hinaustaumelte und mit einem dumpfen Knall gegen die gegenüberliegende Wand flog. Durch seinen Körper zuckten heftige Schmerzen. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen.
»Zato cte vl’avo« , ordnete einer der Uniformierten an.
Wie befohlen, wandten sich Blase und die zwei anderen Gefangenen nach links und marschierten den Flur hinunter. Der Polizist, der die Befehle erteilt hatte, öffnete eine Tür. »Da rein.«
Wieder wurde Blase gestoßen. Als er in die Zelle stolperte, hörte er, wie der Polizist einen der Deutschen
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