Der Nautilus-Plan
einmal verführen lassen. Es musste andere Möglichkeiten geben, auf diese Angriffe zu reagieren. Sie entlud die Pistole, legte sie in den Safe zurück, zog sich an und ging wieder nach draußen zu ihrem Auto. Sie käme zwar ziemlich spät zu der Party, aber das machte nichts. Sie musste sich eine Weile alles aus dem Kopf schlagen und abschalten und eine neue Perspektive finden. Und sie musste mit Kirk über den Mann sprechen, der sich als Harry Craine ausgegeben hatte.
Im letzten schwachen Licht des Tages war die blutrote Bougainvillea, die an Dekan Derrick Quentins Veranda emporwucherte, ein leuchtender Farbklecks vor dem weißen Hintergrund der Hauswand. Liz hatte nur ihre Handtasche dabei, als sie an der Bougainvillea vorbei das Haus betrat, wo die Party bereits in vollem Gang war. Kollegen grüßend, bestellte sie einen großen Martini Belvedere, den sie dringend nötig hatte, und mischte sich unter die Gäste. Fast alle hatten von dem Überfall auf sie gehört, und sie erzählte die Geschichte immer wieder, während sie nach Kirk suchte. Mehrere Leute erwähnten, dass auch er nach ihr suchte.
Als sie ihren Martini schließlich ausgetrunken hatte, ließ sie das Glas in der Küche stehen und ging durch die Maschendrahttür in den Garten hinter dem Haus. Ein Dutzend Professoren standen auf der Terrasse, tranken und diskutierten in der hereinbrechenden Dämmerung über Freud und Jung und Rank, aber Kirk war nicht unter ihnen.
Sie ging nach vorn zur Veranda. Der Martini hatte ihre Anspannung etwas abzubauen geholfen, und sie streifte mit den Fingern über die Bougainvillea. Tropisch üppig rankte sie sich den ganzen Giebel des dreigeschossigen Hauses hinauf. Während sie die herrlichen Blüten bewunderte, hörte sie jemand ihren Namen sagen. Neugierig spähte sie zwischen den dichten Blättern hindurch.
Kirk und der Dekan standen auf der Seite des Hauses und unterhielten sich leise. Hinter ihnen fuhr ein Taxi die Straße hinunter, aber trotz des Motorengeräuschs versuchte sie, der Unterhaltung zu folgen.
»Ich musste Helios wegen Liz sofort Bescheid geben«, rechtfertigte sich Kirk. »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Sie wissen, er will umgehend informiert werden, wenn etwas außer der Reihe passiert.«
Erstaunt zog Liz die Augenbrauen hoch. Wer war Helios? Kirk informierte jemanden über sie?
»Dass Sie allerdings Liz gegenüber so getan haben, als hätten Sie im Sheriff’s Department angerufen, war verdammt riskant, Kirk«, sagte der Dekan. »Sie ist nicht auf den Kopf gefallen, und sie könnte es ohne weiteres merken. Das wäre eine Katastrophe.«
Ihre Kehle schnürte sich zusammen. Kirk hatte gelogen ?
Kirk lachte leise. »Das wird sie nicht. Sie ist in mich verliebt. Sie vertraut mir. Was tatsächlich passiert ist, wird ihr nie in den Sinn kommen …«
Wut flammte in ihr auf. Was bildete sich dieser selbstgefällige Dreckskerl … Was? Was hatte er da gesagt?
Kirk redete immer noch. »Außerdem haben Sie doch selbst gesehen, wie schnell Helios diesen falschen Deputy geschickt hat, um mit ihr zu sprechen. Die Stiftung wollte die Cops offensichtlich heraushalten. Und Sie werden mir doch Recht geben, dass wir uns unbedingt an unsere Abmachungen mit der Stiftung halten müssen, oder nicht?«
Liz biss die Zähne aufeinander, um nicht auf der Stelle zu explodieren. Warum erstatteten Kirk und der Dekan Meldung über sie? Was ging da vor sich? Dieser Dreckskerl Kirk hatte sie hintergangen, und der Dekan ebenfalls. Noch beunruhigender war allerdings, dass der Auftraggeber der beiden, ein gewisser »Helios«, offensichtlich über enorme Macht und weitreichende Mittel verfügte und dass, wie sie befürchtet hatte, eine größere Organisation – »die Stiftung« – hinter dem Ganzen steckte.
Sie fand eine größere Öffnung in der Bougainvillea. Die zwei Männer standen unter einem Pfefferbaum dicht beieinander. Kirks Haltung war kerzengerade – keine Spur von der üblichen angetrunkenen Schlaffheit, in die er auf Partys rasch verfiel. Im Vergleich mit ihm war der Dekan klein und schmächtig, aber sein Blick war scharf wie der einer Klapperschlange, und er wirkte genauso nüchtern wie Kirk.
Kirk fuhr fort: »Weiß Gott, wie die Aylesworth-Leute reagiert hätten, wenn ich es nicht gemeldet und die Polizei Wind davon bekommen hätte.«
»Trotzdem gefällt mir die Sache nicht. Ganz schön beunruhigend. Bisher hat unser Arrangement bestens funktioniert. Alle haben davon profitiert, besonders Liz.
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