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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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»Ich bin nur ein paar Minuten nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. Und ich glaube nicht, dass ich da der Einzige war. Diese Partys sind furchtbar ermüdend. ›Langweilig‹ hieße, den Sachverhalt noch positiv auszudrücken. Und ich war gelangweilt, und das raubt einem den Biss.«
    »Immerhin haben diese ›paar Minuten‹ genügt, um Sie in ernste Schwierigkeiten zu bringen«, rief sie ihm in Erinnerung. »Niemand ist begeistert über solche offiziellen Empfänge, aber das erledigt man einfach nebenher. Wie alt sind Sie inzwischen, dreißig?« Er sah zu ihr hinüber. »Ja, Sie sind dreißig. Es wird langsam Zeit, dass Sie aufhören, sich wie ein kleiner Junge aufzuführen, Simon. Sie sehen besser aus, als gut für Sie ist. Zu charmant und zu selbstsicher.« Ihre dünne Oberlippe kräuselte sich geringschätzig. »Da fragt man sich schon, ob irgendwelche dubiosen Undercover-Missionen mit einem Haufen Halbkrimineller die einzige Art von Aufträgen sind, für die Sie wirklich zu gebrauchen sind.«
    Mit Mühe hielt er einen seiner bissigen Kommentare zurück und begnügte sich damit zu sagen: »Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich mich dafür bei Ihnen bedanke.«
    »Falsch. Das sollten Sie sehr wohl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemand für nötig gehalten hat, Ihnen die Wahrheit über Simon Childs zu sagen. Oder Sie haben nie zugehört.«
    Sobald sie an die Donau kamen, hielt sie an und parkte den Wagen so, dass er bergab zum Fluss stand. Nachdem sie Motor und Scheinwerfer ausgemacht hatte, saßen sie allein in der dunklen Stille, wo niemand ihre Unterhaltung belauschen oder sie durch die dunkel getönten Scheiben beobachten konnte. Direkt vor ihnen strömte dunkel und behäbig die Donau vorbei – die Dunaj auf Slowakisch –, und nur ihre gekräuselte Oberfläche schimmerte matt im Mondlicht. Links von ihnen spannte sich die futuristische SNP-Brücke von der südlichen Altstadt zu den trostlosen Plattenhochbauten von Petrzalka, wo es die höchste Selbstmordrate Bratislavas gab. Diese Wohnblöcke und all die anderen Bausünden rings um die Altstadt stammten aus der Zeit der kommunistischen Herrschaft – das in Beton gegossene Erbe der ehemaligen Sowjetunion.
    »Nichts für ungut, Ada«, sagte Simon, »aber davon geht doch nicht gleich die Welt unter. Ich werde mit Stanford Weaver reden, wann immer er will. Nennen Sie mir Zeit und Ort, und ich werde da sein. Das wissen Sie.«
    Ihr Blick funkelte im Dunkeln. »Dafür ist es jetzt zu spät. Er ist abgereist.«
    »Schon?«
    »Die Amerikaner haben ihn sofort rausgeholt. Andererseits hat dieser peinliche Zwischenfall sicher etwas sehr Motivierendes. Viera Jozefs theatralischer Selbstmord wird bei Tagesanbruch von allen Titelseiten prangen. Jetzt heißt es für die Amis und die Weltbank erst mal, in Deckung gehen. Hören Sie also zu, Simon, und zwar gut. Sie haben sich nicht an unseren Plan gehalten. Sie hätten gestern Abend mit einem extrem mächtigen Verbündeten Englands ein äußerst wichtiges Gespräch führen sollen. Aber nicht genug damit, dass Sie den Mann praktisch versetzt haben, haben Sie ihn und die Amerikaner auch noch gewaltig in die Bredouille gebracht. In Ihrem Smoking sind Sie aus dieser bunt zusammengewürfelten Menge herausgestochen wie ein Geistlicher bei einer Orgie.«
    Bis zu einem gewissen Grad waren ihre Vorwürfe berechtigt, aber in der Welt des MI6, in der sowohl im Innen- wie im Außendienst um hohe Einsätze gespielt wurde, durfte man keine Schwäche, keine Zweifel zeigen, oder man war geliefert – manchmal in einem sehr wörtlichen Sinn.
    »Was ich gestern Abend herausgefunden habe, muss noch gründlicher ausgewertet werden«, erklärte er. »Die Polizei, die Medien, die Öffentlichkeit, sie wissen immer schon im Voraus, wenn es zu einer großen Demonstration kommt, weil die Initiatoren sie vorschriftsgemäß anmelden. Außerdem sind sie normalerweise so aufgebracht, dass sie nicht einmal dann den Mund halten könnten, wenn sie es wollten. Nicht so gestern Abend.«
    »Ich höre.«
    »Irgendwie ist es fünftausend Demonstranten gelungen, über die slowakische Grenze zu kommen. Ich habe – übrigens ebenso wenig wie die Polizei oder sonst jemand – auch nur andeutungsweise etwas davon gehört. Nehmen Sie dazu noch diesen Akt der Selbstopferung – Gott sei Dank war es der Erste, aber ich würde lieber nicht darauf zählen, dass es der letzte bleibt. Viera Jozef war keine religiös motivierte Extremistin. Keine

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