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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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von Gleichungen zog durch Corinths Gehirn.
    Das Schwindelgefühl verflog, und er sah Lewis mit wachsendem Schrecken an. „Wir haben uns geirrt“, murmelte er. „Das Feld nimmt viel schneller an Intensität zu, als wir dachten.“
    „Aber … die Erde brauchte mehrere Tage, um es zu verlassen, und das bei einer relativen Geschwindigkeit von …“
    „Dann müssen wir auf einen anderen Teil des Kegels gestoßen sein, einen schärfer begrenzten, oder vielleicht verändert sich die Schärfe mit der Zeit auf bisher unerwartete Weise …“ Corinth bemerkte, daß Lewis ihn mit offenem Mund anstarrte.
    „Wie?“ fragte der andere Mann – und wie langsam!
    „Ich habe gesagt … was habe ich gesagt?“ Corinths Herz begann vor Panik zu rasen. Er hatte drei oder vier Worte gesprochen und einige, wenige Gesten gemacht, aber Lewis hatte ihn nicht verstanden.
    Natürlich nicht! Sie waren nicht mehr so intelligent wie zuvor, beide nicht.
    Corinth schluckte trocken, seine Zunge lag ihm im Mund wie ein Stück rauhes Holz. Langsam, in gewöhnlichem Englisch wiederholte er, was er meinte.
    „Oh, ja, ja.“ Lewis nickte, zu erschüttert, um mehr sagen zu können.
    Corinths Gehirn war wie verklebt – anders konnte man es nicht ausdrücken. Er fiel haltlos in gestaltlose Schwärze, er konnte nicht denken, taumelte mit jeder Sekunde in den Zustand des animalischen Menschen zurück.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag: Sie waren, ohne es zu wissen und zu wollen, in das Feld eingedrungen, das die Erde verlassen hatte, es verlangsamte sie, sie kehrten zu dem zurück, was sie vor der Veränderung gewesen waren. Tiefer und tiefer raste das Schiff in eine ständig zunehmende Felddichte, und sie hatten nicht mehr die Intelligenz, es zu kontrollieren.
    Das nächste Schiff wird mit einer Schutzvorrichtung dagegen gebaut werden, dachte Corinth in dem Chaos. Sie werden ahnen, was geschehen ist – aber was wird uns das nützen?
    Er sah wieder nach draußen, die Sterne schienen zu tanzen und zu schwanken. Das Feld, überlegte er verzweifelt, wir kennen weder seine Form noch seine Ausdehnung. Entweder wir verlassen es tangential und haben den Kegel bald hinter uns – oder wir sind für die nächsten hundert Jahre hier gefangen.
    Sheila!
    Corinth senkte den Kopf, die physische Qual der plötzlichen zelluaren Umstellung machte ihm das Denken unmöglich; er weinte.
    Das Schiff raste weiter in die Dunkelheit.

 
15
     
    Das Haus stand auf Long Island, oberhalb eines weißen Strandes, der zum Meer abfiel. Es hatte einst zu einem größeren Besitz gehört; Bäume und eine hohe Mauer schirmten es von der Außenwelt ab.
    Roger Kearnes brachte seinen Wagen vor dem Säulenportal zum Stehen und stieg aus. Er fröstelte ein wenig und stopfte seine Hände in die Jackentaschen, als die rauhe, nasse Kälte ihn umfing. Es gab keinen Wind, keinen Schatten, nur einen späten Schnee, der dick und traurig aus einem niedrigen Himmel rieselte, auf den Fensterscheiben haftenblieb und auf dem Boden zu großen Tränen schmolz. Er fragte sich zweifelnd, ob es je wieder einen Frühling geben würde.
    Nun ja, er reckte sich und läutete an der Tür. Es gab Arbeit für ihn – er mußte sich um seine Patientin kümmern.
    Sheila Corinth öffnete die Tür. Sie war immer noch dünn, die Augen groß und dunkel in einem blassen, kindlichen Gesicht; aber sie zitterte nicht mehr, und sie hatte sich der Mühe unterzogen, ihr Haar zu kämmen und ein Kleid anzuziehen.
    „Hallo, hallo“, sagte er lächelnd. „Wie geht’s denn heute?“
    „Ach – nicht schlecht.“ Sie mied seinen Blick. „Wollen Sie nicht hereinkommen?“
    Sie führte ihn einen Gang entlang, dessen frischem Anstrich es nicht ganz gelang, die freundliche Atmosphäre zu erzeugen, die Kearnes gern gesehen hätte. Aber man konnte nicht alles haben. Sheila konnte sich glücklich schätzen, ein ganzes Haus und eine freundliche, ältere Frau – eine Schwachsinnige – als Hilfe und Gesellschaft zu haben. Selbst heute machte es noch etwas aus, wenn der Gatte ein wichtiger Mann war.
    Sie betraten das Wohnzimmer. Ein Feuer prasselte im Kamin, und man blickte auf den Strand und den ruhelosen Ozean. „Setzen Sie sich“, lud Sheila ihn teilnahmslos ein. Sie ließ sich in einen Sessel fallen, blieb reglos sitzen und starrte aus dem Fenster.
    Kearnes folgte ihrem Blick. Wie schwer die See rollte! Selbst hier, im Innern, konnte er hören, wie sie an der Küste nagte, Felsen und Steine aneinanderrieb, die Welt

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