Der Nebel weicht
Sonnyboy!“
„Nein, ehrlich“, sagte Mandelbaum. „Sie wollen doch beide eine besser integrierte Regierung, nicht wahr? Mir scheint, daß …“
Hmmm. Der gleiche Gedanke ließ zwei Augenpaare aufleuchten. Es war verblüffend einfach gewesen, ihn den beiden Männern zu suggerieren. Vielleicht könnten wir gemeinsam … und hinterher werde ich ihn schon los …
Die Diskussion dauerte noch längere Zeit, endete aber schließlich damit, daß Morgan und North den Raum in schöner Eintracht verließen. Mandelbaum spürte förmlich, mit welcher Verachtung die beiden auf ihn herabsahen – hatte er denn noch nie von „teile und herrsche“ gehört?
Mandelbaum überlegte sich, wie traurig es doch war, daß die Menschen sich bisher kaum geändert hatten. Der unbeherrschte Träumer baute nur noch wildere Luftschlösser; der hartgesottene Bandenführer und Scheingewerkschaftler war noch immer von seiner sinnlosen Geldgier besessen, ohne sie überwinden zu können. Aber das würde nicht mehr lange dauern. Schon in wenigen Monaten würde es keine Norths und keine Morgans mehr geben. Die Veränderung, die in ihnen und allen anderen Menschen vor sich gegangen war, würde enden. Aber in der Zwischenzeit waren sie gefährliche Raubtiere, mit denen man fertig werden mußte.
Er griff zum Telefon und benutzte die ihm vorbehaltene Sonderleitung. „Hallo, Bowers? Wie läuft’s …? Passen Sie auf, ich habe den Dynapsychisten und den Hafengangster zusammengebracht. Wahrscheinlich planen die beiden jetzt so etwas wie eine Scheinvolksfront, um Sitze im Rat zu erhalten und dann das Ganze mit Gewalt zu übernehmen – Palastrevolution, Coup d’Etat, wie immer Sie es nennen wollen. – Richtig. Aktivieren Sie unsere Agenten auf beiden Seiten. Ich erwarte komplette Berichte. Und dann werden wir die Agenten einsetzen, um sie unauffällig gegeneinander aufzuhetzen. – Genau, das Bündnis ist so unstabil, wie man sich das nur vorstellen kann. Ein wenig vorsichtiger Druck hier und da, und die beiden begraben bestimmt das Kriegsbeil – ineinander. Wenn dann die Miliz mit dem Rest des Bandenkrieges aufgeräumt hat, können wir unseren Propagandafeldzug für den gesunden Menschenverstand starten. – Sicher, die zeitliche Abstimmung braucht einige Raffinesse, aber das können wir hinkriegen.“
Als er den Hörer auf die Gabel legte, schien sein Gesicht einen Moment lang einzufallen und zeigte seinen Gram. Er hatte gerade Dutzende von Menschen – die meisten nur verwirrt oder irregeleitet – zum Tode verurteilt. Aber er konnte es nicht ändern. Er mußte das Leben und die Freiheit von Millionen bewahren – der Preis war nicht zu hoch.
„Wer auf dem Chefsessel sitzt, darf die Verantwortung nicht scheuen“, murmelte er und warf einen Blick auf seinen Terminkalender. Er hatte noch eine Stunde, bis der Vertreter Albanys {1} eintraf. Der würde nicht so leicht zu behandeln sein. Die Stadt verletzte täglich mehrere Staats- und Bundesgesetze – es war unvermeidlich –, und der Gouverneur kochte über vor Zorn. Er wollte den ganzen Staat wieder unter seine Kontrolle bringen. Das war ein verständlicher Wunsch, aber die Zeit war noch nicht reif, und wenn sie es vielleicht einmal war, würden die alten Regierungsformen genauso bedeutend sein wie der Unterschied zwischen Homoousianern und Homoiousianern. Aber es würde eine harte und lange Auseinandersetzung werden, bis er den Mann aus Albany überzeugt haben würde.
Bis dahin hatte er allerdings noch eine Stunde. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, ob er an dem neuen Rationierungssystem oder dem Plan zur Ausdehnung von Recht und Ordnung auf Jersey
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