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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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beleuchtet, lehnte ein
Bücherstapel, der sich gefährlich zur Seite neigte, und auf dem Tisch dahinter
türmten sich wahre Büchergebirge zur Decke. Das Regal selbst beherbergte wild
durcheinandergeworfene Bücher, die ihre Seiten hilflos in die Luft streckten
oder gar aufgeschlagen auf den Gesichtern lagen. Es stimmte, allzu ordentlich
war es hier nicht. Das sah Uhl gar nicht ähnlich.
    »Was pflegt ein Küchenmädchen
denn so zu lesen – Romanzen?«, fragte der Herr. »Beherbergt diese Bibliothek
überhaupt die passende Literatur?«
    Sallie schluckte gekränkt.
»Ich lese Geschichtsbücher«, gab sie ein wenig patzig zurück.
    Der Graue Herr hob die Hand
zum Mund. Sallie sah ganz deutlich, dass er dahinter ein Schmunzeln verbarg.
    »So, so.« Er hüstelte.
»Geschichtsbücher – das ist allerdings schwere Kost für ein junges Mädchen.
Magst du dich zu mir setzen und mir erzählen, was du durch deine Lektüre über
die Geschichte gelernt hast?«
    Sallie zögerte. Die Einladung
war sehr freundlich vorgebracht worden, auch wenn sie sie als ein wenig
herablassend empfand. Aber hier bot sich die Gelegenheit zu einer echten
Unterhaltung über ein interessantes Thema, und dem konnte sie nicht
widerstehen.
    Sie knickste also und ließ
sich auf dem Stuhl nieder, den der Graue Herr ihr anbot.
    Er sah sie erwartungsvoll an.
Sallie verschränkte die Finger in ihrem Schoß und begann von der Katzenkönigin
und ihrem Kampf gegen den Nebelkönig zu erzählen. Der Graue Herr lauschte stumm
und regungslos. Sein Gesicht war nachdenklich.
    »Du hast diese Bücher hier in
der Bibliothek gefunden?«, fragte er, als Sallie verstummte. Sie nickte.
    Er legte seine Hand mit dem
schweren Silberring auf das Buch, das vor ihm lag, und schob es gedankenverloren
hin und her. »Wo hast du dieses Buch gefunden? Das, von dem du mir gerade
erzählt hast?«
    Sallie deutete in die
Dunkelheit und erklärte, in welchem Regal sich das Buch finden ließ. Der Graue
Herr dankte ihr und sagte, er werde es sich bei Gelegenheit ansehen. »Wenn du
deine Lektüre beendet hast, selbstverständlich«, fügte er hinzu.
    Sallie fand ihn überaus
höflich. Sie lächelte ihn an. »Was lest Ihr?«, fragte sie und schielte ein wenig
auf den Bucheinband, dessen Titel die Hand des Herrn verbarg.
    Ein Lächeln huschte über sein
Gesicht. »Auch ich bevorzuge geschichtliche Werke.« Er machte Anstalten, ihr
das Buch zu reichen, hielt aber inne. »Sage mir deinen Namen. Wenn wir uns hier
schon über unsere Lektüre unterhalten, sollte ich dich doch anreden können.«
    »Sallie.«
    »Sarah«, sagte er. »Ja, da
haben deine Eltern dir einen hübschen Namen gegeben.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Sarah«, sagte er erneut.
»Dein Name ist Sarah. Sallie ist nur dein Kosename. Sicherlich ruft deine
Mutter dich so. Arbeiten deine Eltern auch in der Küche?«
    Sallie senkte den Blick. »Sie
sind tot«, murmelte sie.
    »Das tut mir leid«, sagte der
Herr.
    Jetzt blickte sie auf. Seine
Stimme klang gleichgültig. Er sah auf das Buch nieder und trommelte nachdenklich
auf seinem Einband herum.
    »Ah, du wolltest wissen, was
ich lese«, sagte er nach einer Weile, in der er geschwiegen und Sallie sich
gefragt hatte, ob er von ihr erwartete, dass sie sich erhob und verabschiedete.
    Er reichte ihr das Buch, und
sie schlug es erwartungsvoll auf. »Der Kampf der Magier«, las sie und hob den
Blick. »Das klingt aufregend!«
    Er nickte ein wenig müde. »Ich
kenne es in  und auswendig«, murmelte er. »Nimm es an dich, kleine Sallie. Lies
es und sage mir bei unserem nächsten Treffen, wie es dir gefallen hat.« Er
stand auf.
    Sallie erhob sich hastig.
»Danke, das ist sehr nett von Euch. Aber wann – wie ...«
    »Kümmere dich nicht darum«,
beantwortete er ihre ungestellte Frage. »Ich werde dich zu finden wissen.« Er
schob seinen Stuhl ordentlich unter den Tisch, nickte ihr zu und ging davon.
Sein grauer Rücken verschmolz schon nach wenigen Schritten mit der Dunkelheit,
und Sallie konnte ihn nicht mehr sehen.
    »Herr«, rief sie, »bitte, ich
kenne nicht einmal Euren Namen!«
    »Ba...«, hörte sie ihn
antworten, und es klang, als sei er nur wenige Schritte weit entfernt. Eine Tür
fiel dumpf ins Schloss und schnitt seine Stimme mitten im Wort ab wie ein
scharfes Messer.
    Sallie umklammerte das Buch.
»Ba... was?«, rief sie. »Basil, Bartholomeus, Bastian?«
    Und dann erst fiel ihr auf,
dass es in diesem Teil der Bibliothek überhaupt keine Tür gab, sondern nur
festes Mauerwerk mit

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