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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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wenig frischer Luft. Ihr Blick verschwamm, und dann stieß ihr
Messer auf den harten Kern einer Sternknolle und sprang zurück, als hätte sie
ein lebendiges Tier in der Hand, mit scharfen Zähnen, das sie fest und böse in
die Hand biss.
    Sallie ließ das Messer fallen
und starrte auf den tiefen Schnitt, aus dem dickflüssig ihr Blut quoll und über
ihre Finger auf den Tisch tropfte. Es tat nicht weh, aber all das
herauslaufende Blut, das sich in einer stetig größer werdenden Lache auf der
Arbeitsfläche ausbreitete, machte ihr Sorgen.
    »Hallo«, rief sie gegen den
Lärm an. »Bitte, ich habe mich geschnitten!«
    Pirro, der Scheuerjunge, der
neben ihr am Spülstein mit den rußgeschwärzten Töpfen kämpfte, hörte sie. Er
sah das Blut, ließ seinen Topf fallen, dass das heiße Seifenwasser nur so
spritzte, und steckte die schaumbedeckten Finger zu einem schrillen Pfiff in
den Mund. Einen Augenblick lang war es still in der Küche. Dann sah einer der
Beiköche, worauf der Scheuerjunge zeigte, und sprang auf Sallie zu. »Was machst
du denn?«, schimpfte er, riss sich die saucenbespritzte Schürze vom Leib und
wickelte sie fest um ihre Hand.
    Sallie wurden die Knie weich.
Sie ging in die Hocke und lehnte sich gegen den Spülstein. Und jetzt, als hätte
er darauf gewartet, dass sie dem Schreck nachgab, kam der Schmerz, sprang sie
an und riss und zerrte wild an ihrer Hand. Die Schürze des Kochs färbte sich
rot.
    Sallie registrierte, dass
jemand neben ihr niederkniete, aber sie war zu beschäftigt, sich den reißenden
Schmerz vom Leib zu halten, um sich darum zu kümmern, wer das war und was er
von ihr wollte.
    »Das blutet zu stark, es muss
behandelt werden«, hörte sie die Küchenmamsell sagen. »Sallie, kannst du
aufstehen? Du musst damit zum Apotheker.«
    Sallie nickte und kam wackelig
auf die Beine. Die Küchenmamsell nahm ihren Arm und führte sie beiseite. »Geh
zum Apotheker«, wiederholte sie. »Der wird dir auch etwas geben, damit der
Schmerz aufhört.«
    »Aber ich weiß nicht, wo das
ist«, sagte Sallie und umklammerte ihre pochende Hand.
    Die Küchenmamsell, die sich
schon abgewendet hatte, drehte den Kopf und sah sie verblüfft an. »Du weißt
nicht, wo die Apotheke ist?«
    Sallie schüttelte den Kopf.
Dies war ihr erster ernsthafter Unfall, all die unbedeutenden Schnitte und
Verbrennungen waren bisher stets gleich hier am Spülstein behandelt worden, meist
von Afrim, dem rundlichen Beikoch.
    »Ach herrje«, sagte die
Küchenmamsell, »immer, wenn hier ohnehin alles drunter und drüber geht!« Sie
drehte sich suchend einmal um die eigene Achse und rief dann: »Pirro! Lass
deine Töpfe, komm her.«
    Der Scheuerjunge gehorchte dem
Ruf und bekam die Anweisung, Sallie zum Apotheker zu bringen, auf dem Weg nicht
zu trödeln und danach schleunigst wieder an seine Arbeit zurückzukehren.
    Pirro grinste Sallie breit an
und schob sie zur Tür. »Das kannst du meinetwegen öfter machen«, sagte er
vergnügt. Er reichte ihr seine rot gescheuerte, ein wenig feuchte Pfote, damit
sie sich auf ihn stützen konnte. Sallie lehnte dankend ab, sie fühlte sich
wieder sicherer auf den Beinen. Während sie dem Scheuerjungen folgte,
beobachtete sie besorgt den notdürftigen Verband, der langsam durchweichte und
rote Flecken auf ihrem Kleid hinterließ.
    »Das blutet aber doll«,
bemerkte Pirro. »Tut es weh?« Sallie nickte verbissen. Es tat weh, o ja!
    »Wir sind gleich da«,
versuchte er sie zu beruhigen. »Ich war auch schon mal beim Apotheker. Er hat
meinen gebrochenen Daumen heil gemacht. Das hat auch ganz schön wehgetan.« Er
hielt ihr seinen Daumen vor die Nase, der nicht weiter bemerkenswert aussah.
    Sallie nickte wieder. Der
Schmerz war ihr ganz egal, der Apotheker sollte nur dafür sorgen, dass das Bluten
aufhörte, das ihr solche Angst machte.
    »Hier sind wir«, verkündete
Pirro und klopfte an eine Tür. In Gedanken versunken hatte Sallie gar nicht
darauf geachtet, wohin er sie geführt hatte, aber anscheinend waren sie immer
noch im Ostflügel. Das hier musste eins der Zimmer sein, das auf den hinteren
Gemüsegarten hinausblickte. Oder doch nicht?
    Sie hörte eine Stimme, die ein
etwas ungeduldig klingendes »Ja?« rief.
    »Ein Unfall in der Küche, Herr
Apotheker«, verkündete Pirro. »Komm herein«, erwiderte die ungeduldige Stimme.
    Pirro klinkte die Tür auf und
schob Sallie hindurch. »Ich muss gleich zurück«, sagte er bedauernd und schloss
die Tür hinter ihr.
     
    Sallie stand unschlüssig da.
In

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