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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Völker, Individuen voneinander sondernd und isolierend; die Kluft, die die unendliche???Emsenarbeit der internationalen Verständigung zunichte machte und die von klareren Hirnen da und dort geschlagenen Begriffsbrücken zertrümmerte.
    Und nun, da er hier die Fremde sich doppelt entfremdet wußte, da er sich eingeengt sah von einem gedankenarmen Stumpfsinn, in den doch nur ein trächtiger Funke der wachsenden Zeitungshetze zu fallen brauchte, um ihn in fauchende Feindschaft zu verwandeln – nun schien es ihm wie nie zuvor nötig, sich einen Panzer zu schaffen für sein Eigenstes... Keinen Panzer, gewebt aus Liebenswürdigkeit, aus elastischer Nachgiebigkeit, aus billigen kleinen Kompromissen. Er mußte einen reichen, festen Stoff haben, ihn zu schmieden; – Stoff aus dem angehäuften Persönlichkeitsgut stets lebendiger früherer Jahre... Und er müßte weit genug sein, um auch Mildred Schutz zu geben.
    Eine große Verständigungsmöglichkeit war rettungslos in die Brüche gegangen.
    Desto inniger mußte die Beziehung sein, die ihn an dieses Wesen fesselte.
    Eines Abends senkte er seinen Blick in ihre grauen Augen, die ihn ruhevoll anblickten. Während er das tat, zerfloß dies weiße, schmale Gesicht etwas vor seiner irrenden Pupille; der pagenhafte Kopf mit den widerspenstigen, goldenen, leichtgekräuselten Haaren verblaßte wie in einer kurzen Gloriole und rückte, so schien es ihm, fast hinweg.
    Die Bluse, der Rock verdämmerte, um den Umriß ihrer Gestalt, den eines geschlechtslosen, duldenden und tapferen Engels schemenhaft hervortreten zu lassen wie einen aus matten, sanftblühenden Farben gebildeten Traum. Wenn sie ihm gegenüber saß, lächelnd; die Schneidezähne halb in die volle Unterlippe vergraben und mit leichten Grübchen auf den Wangen, so erfüllte ihn ein Gefühl unerhört süßer Zugehörigkeit. Er mußte diese Wange berühren, die wie die Haut eines Pfirsichs auf der blasseren Seite war.
    Er sagte:
    »Vielleicht werden wir hier noch manches durchzumachen haben.«
    »Was kann das ausmachen,« meinte sie, »ich habe mich schon euren Torpedos ausgesetzt, als ich herkam, um einen ›Hunnen‹ zu heiraten ... Es ist ja nicht schön, daß du die Dummheit gemacht hast, dieses Haus so überstürzt zu mieten, ohne dir über die Gegend klar geworden zu sein. Das ist wieder ein Zeichen, wie sehr du in den Wolken schwebst. Wir hätten anderswo sicher etwas Hübscheres finden können. Aber mein Gott, es ist ja ganz gleich, wo man in diesem verdammten Land lebt, solange man nur das Gefühl hat, die Zeit geht herum. Und jeder Tag, der vergeht, macht den Krieg kürzer. Vielleicht sind sie mit dem Wahnsinn schon zu Ende, wenn wir hier weggehen. Dann haben wir eine beschauliche Zeit hinter uns und sind wenigstens hier draußen nicht angepöbelt worden...«
    Die Kuckucksuhr, die schnarrend und heiser elf Uhr verkündete, machte diesem Gespräch ein Ende.
    Mildreds lichte Worte hatten einen Druck von Erwin genommen.
    Sie schwebten noch silbern in der Luft, die klaren, nüchternen Klänge, wie nach einem Windhauch, der Nebel zerteilt, die sich anzusammeln drohen...
    Später hörte er drei verschiedene rhythmische Geräusche im Hause: oben das schwere Schnaufen Madleens, seinen eigenen, leicht singenden, von Erinnerungsklängen an verschollene Fieber durchsetzten Odem und den hohen leichten Mildreds, die in mattleuchtender Nacktheit und schlank wie ein Bild auf herabgestreifter Decke, den Kopf in die Achselhöhle geschmiegt, in dem dumpfen, halbhellen Zimmer ruhte.
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    Erwin saß in seinem Studierzimmer, das oberhalb des Wohnraumes gelegen war und nach zwei Seiten hin Ausblick auf große Ahornblätter bot, die von der Sonne grell durchleuchtet einen grünen Widerschein in das Zimmer warfen.
    Er war gerade damit beschäftigt, noch einige Briefe für Europa fertigzustellen. Als er sie versiegelte, kam ihm zum Bewußtsein, daß es vielleicht ein unnützes Bemühen sei, daß diese Briefe in die Kluft hinabflattern würden auf Nimmerwiedersehen.
    Die Vorstellung, daß etwas da war, das sich jetzt grausam und aktuell zwischen ihn und die ihm am nächsten standen, schob, wie ein eiserner Vorhang vor die Zelle eines Sträflings, nahm ihm fast den Atem und veranlaßte ihn, plötzlich aufzustehen und das Zimmer mit wilden Schritten, wie ein Tier im Käfig, zu durchqueren.
    Denn man nahm ihm damit etwas, man beraubte ihn grausam, man wies ihn auf sich selbst an und er war zurzeit nicht ganz sicher, ob die Inanspruchnahme

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