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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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es einer großen Menge des Bindemittels bedurft, um es in der gewünschten Form zu erhalten. Die Augen waren, was Mildred bei sich »Dachaugen« nannte: Stirnkämme wie ein Strich, und darunter hingen sie metallisch hellbraun, sperbermäßig kalt, und vom Glanz einer Säbelscheide. Sonst war er auf eine fröhlich legère Art gewandet. Weit geschnittene Kleidung bedeckte seine Energie atmende Person.Nur hie und da hatte er, um ja kein Faltengewimmel, keine disziplinlosen Wülste entstehen zu lassen, Plättungen oder Stärkungen gebraucht; – so bei den Hosen, deren Bügelfalten mit der Schärfe einer Messerschneide über die Knie krochen.
    Die Kau-Pause war vergangen. Der Leutnant hatte heruntergeschluckt, was auf seinem Teller war, und blickte nun stramm über den Tisch.
    Mildred war zufrieden. Die Vorstellung, die sie bislang von einem deutschen Krieger gehegt, bestätigte sich durchaus. So und nicht anders mußte sich diese Menschenart benehmen. Der da hatte einen Dunst von sprungbereiter Männlichkeit an sich. Er ging im Stechschritt auf sein Ziel los. Seine dicke Epidermis schützte ihn hier. Überall würde er dieselbe Rolle spielen; – unsympathisch zwar, aber doch als Typus halbwegs harmonisch ...
    Als Zuckschwerdts Blicke sie jetzt blitzend trafen, verschleierten sich plötzlich seine Pupillen. Mildred war fast erstaunt, als das Burschikose seines Wesens zauberhaft hinweggeblasen schien und er mit der sanftesten Stimme der Welt die Zügel eines korrekten Tischgespräches aufnahm. So behutsam tat er das, als warte er nur auf eine Gelegenheit, um sie der Wirtin zu überlassen.
    »Er komme nicht etwa aus dem Blauen geschneit,« sagte er. »Er wisse genau, daß es unlieb vermerkt werde, wenn man Leuten unangemeldet ins Haus falle. Er bringe Empfehlungen von der Familie Kielwasser.« – Hier nannte er ein auchErwin bekanntes deutsches Pastorenehepaar. – »Reizende Leute seien das, Kielwassers. Bißchen wenig Schwung bringe der Mann ja in seinen Kirchenbetrieb. Kürzlich habe er sich ins Bockshorn jagen lassen, als einige reiche Gemeindemitglieder bei Predigten auf englischen Text gedrungen hätten. Aber sonst sei der Pastor eitel Herzensgüte, sehr gebildet. Und die Frau, wie eine Mutter sei sie; und koche fabelhaft. Mit der hohen Bildung des Pastors hänge es auch zusammen, daß er ihn, Zuckschwerdt, auf Herrn Notacker verwiesen habe.«
    Erwin verbeugte sich leicht.
    »Da sei ein Mann,« habe jener gesagt, »den habe ein widriges Schicksal während des Krieges in Amerika festgehalten; ein feiner Gelehrter, der sich einsam fühle, ohne Gedankenaustausch sei und fern von der Heimat. Gehen Sie zu ihm, Herr Leutnant, und versuchen Sie, ihn aufzuheitern!« – »Das habe ich mir natürlich schleunigst gemerkt und deswegen bin ich hier.«
    »Sind Sie schon lange in Amerika?« fragte Erwin.
    ... Man schritt zum Kaffee und Zuckschwerdt bemäntelte die Tatsache, daß er sich anscheinend die Frage überlegte, mit allerlei kleinen Höflichkeitsbezeugungen. Er konzentrierte sich mit blitzendem Auge auf Mildred und wich der Wucht von Erwins Nachforschung gleichsam dadurch aus.
    »Kaffee sei sein Lieblingsgetränk,« sagte er. »Es erinnere ihn immer an zu Hause, von schönerDamenhand das köstliche, stets erfrischende Gebräu entgegennehmen zu dürfen. Mäßigkeit sei überhaupt in diesem Breitengrade nur gesundheitsfördernd.«
    Es war, als ob ein unsichtbarer Geist ihm dabei über den Scheitel streiche, ihn kindlich und gefügig mache. Er schlürfte dankbar, seine Augen verschleierten sich, dann runzelte die geglättete Stirn sich wieder und er sprach, wieder Erwin zugewandt:
    »In Amerika, ach ja, hin und wieder früher schon; und jetzt hat mich der Krieg hier festgehalten. Wir fahren im gleichen Boot. Gern bin ich nicht hier, das können Sie glauben. Das Leben hier ist wie eine Walze, die alles aus einem herausquetscht, was man noch so an europäischem Feingefühl besitzt. Ein Restchen behält man sich trotzdem noch vor; das reserviert man für liebe Freunde und Landsleute.«
    »Haben Sie hier irgendeine dauernde Beschäftigung?«
    »Mehr als das, mein verehrter Herr. Ich weiß oft gar nicht, wo mir der Kopf steht. Aber Zähne zusammen gebissen und die Sache scharf ins Auge ???gefasst, dann erledigt man die Schwierigkeiten. Muß mir mit dem Ellenbogen Bahn brechen. Das Gesindel hier versucht einem fortwährend ein Bein zu stellen. Aber wissen Sie, der Zuckschwerdt riecht immer rechtzeitig, wenn die Sache faul ist.

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