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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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sein.«
    Erwin kam langsam näher, worauf der Besucher ihm ein gerötetes Gesicht zuwandte. Transpiration gab seinem Lächeln noch eine besonders erschöpft hingebende Note. Auch lächelte ein buntes Hemd aus einer blauen Jacke hervor; und weiße Flanellhosen entblößten, diskret und doch deutlich, bei jedem Schritt Seidensocken über lederbekappten Segelschuhen. Der Herr, nach abwartender Abschätzung der richtigen Entfernung, begann mit leicht zuckenden Verbeugungen bei selbsttätigem Oberkörper. Die Beine schlossen sich zum starren Sockel. Die Bewegungen waren durchaus unamerikanisch. Der Herr nannte mehrmals seinen Namen, der zunächst nur einemschnalzenden Zischlaut glich, und erklärte den beschmutzten Zustand seiner Hände mit einem Hinweis auf den Kraftwagen.
    »Viel Dreck, verstehen Sie ... Pardon! ... meine Fett; Benzin, und solche Sachen!«
    »Lassen Sie das nur gut sein. Mein Frau gibt Ihnen Seife und dann sehn wir uns beim Essen.«
    Der Gast war einverstanden. Abkühlung sei heute nötig, he he! – Etwas gedämpfter zu Erwin: »Er schwitze wie eine Braut im Juni!«
    Seine Augen blitzten. Etwas Forsches, zu Mildred geäußert, die neben ihm um die Ecke des Hauses zurückging, verschmolz sonor mit den verschiedenen Sommer- und Küchengeräuschen. Da scholl das aufquietschende, aus der Ratlosigkeit leerer Verdauungsschläuche steigende Gebrüll der schwarzbehaarten Säue im Verschlag; da schoß Rascheln zusammen; – da gackerten die Plymouthhühner; da tönte die schrille Lockstimme der Frau Sniggers. Und durch alles hindurch klang die Stimme des Besuchers, lauter noch als das töricht-schnappende Gebell des Jagdhundes Smutty, der, noch immer erstaunt über den Besuch, Monologe hielt und auf der abfallenden Wiese erregt über die eigenen jungen Pfoten stolperte.
    Der Tisch war gedeckt. Erwin fragte Mildred: »Was will er und was ist er?« – –
    »Er würde das erklären, wenn er dich spricht. Ich glaube, ich sehe ihm zu englisch aus; bei dir taut er auf. Still, da kommt er.«
    Man hörte das Kracken von Treppenstufen. Hatte der Herr vorhin einen etwas beanspruchten Eindruck gemacht, so sah er jetzt aus, wie aus dem Ei gepellt. Er bediente sich geschickt und kräftig mit einem Stuhl, und saß.
    Hierauf lächelte er freundlich und hob, während er mit der Gabel ohne hinzusehen aus der kalten Platte das Wesentliche herausstach, zu einer kleinen Selbsteinführung an. – Zunächst stellte er sich noch einmal und diesmal deutlicher vor: »Zuckschwerdt; Oberleutnant in der Pionierabteilung des 22. Artillerieregiments, Dinklage.« – – Das Ganze gelang ihm, indem er einmal kurz ausatmete. – »Momentan bin ich Maschineningenieur. Hörte, daß hier deutsche Herrschaften wohnen. Da sagte ich mir: »Zuckschwerdt, sieh dich mal um nach diesen Herrschaften. Landsleute müssen heutzutage zusammenhalten!« – – Werden auch nicht viel Verkehr haben, was?«
    »Danke, es geht,« meinte Mildred.
    Eine kleine Pause begann, die durch das Kauen des Gastes ausgefüllt wurde. Mildred war zu neugierig, um zu essen. Ihre geschwungene Lippe war leicht geschürzt; ihr Kopf stand aufrechter als sonst auf gestrafftem Hals. – Da war nun endlich einmal einer, der keine Umstände machte!... Doch auf der anderen Seite: es war auch wieder nicht die englische Art, sich bei fremden Leuten zu Hause zu fühlen. Es war ein Ansichraffen von Bekanntschaft; eine Adoptierung ihrer selbst und Erwins, was der Leutnant betrieb ...
    Dies war der erste deutsche Krieger, den sie kennen lernte. Er wollte wohl als solcher betrachtet werden; denn sonst hätte er sich nicht als Oberleutnant eingeführt. Sie sah (und so ähnlich hatte sie sich die Kaste aus der Nähe vorgestellt) – gewisse unverwischbare Merkmale. Der runde Kopf hatte jeder Amerikanisierung widerstanden; vielleicht gegen den Willen des Besitzers. Aus dem Gesicht, roh und gut geschnitten, sprang eine Nase wie ein stumpfer Schnabel. Der Mund, der in Momenten, wo Zuckschwerdt an nichts Bestimmtes dachte – (und solche Momente sollten sich noch häufig zeigen!) – leicht offen stand, war lang, animalisch feucht und etwas wulstig. Über die Kiefergegend, die aggressiven Muskelknoten unterm Ohr, fühlte man sich getröstet, wenn Zuckschwerdt lächelte. Dann produzierte er seltsam weiche, geradezu anheimelnde Grübchen in der gesunden rostroten Wangenhaut.
    Das Haar behandelte er auf landesfremde Art. Er scheitelte es seitwärts und kittete es an. Es war nicht lang; und so hatte

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