Der neue Frühling
er.
»Nialli ist eine erwachsene Frau. Sie kann kopulieren, mit wem sie will. Auch mit einem Gesandten der Hjjks!«
»Herrin, aber die tvinnern ja auch.«
»Was?« Taniane war so überrascht, daß sie laut wurde. Tvinnern, das war ja nun wirklich etwas ganz anderes! Die Vorstellung, daß sich die beiden Seelen verschmolzen, daß Kundalimon giftfiebriges Gedankengut der Hjjks in das Hirn ihrer Tochter ergoß, die sowieso bereits durch die Erlebnisse in der Gefangenschaft destabilisiert war, das war wie ein betäubender Schlag für sie. Momentan hatte sie das Gefühl, als trügen sie die Beine nicht mehr und als müsse sie auf den rosafarbenen Marmorboden sinken. Sie zwang sich und gewann die Beherrschung wieder. »Wie kannst du sowas behaupten?«
»Ich habe dafür keinen Beweis, Edle«, sagte Husathirn Mueri mit heiserem Kehlton. »Du weißt ja, daß man mir Beschränkungen auferlegt hat, was ihre Überwachung angeht. Aber die viele Zeit, die sie mitsammen verbringen – das Ausmaß ihrer Intimität – und natürlich die Tatsache, daß beide die Erfahrung der Gefangenschaft bei den Hjjks gemacht haben… sowie daß sie bereits jetzt unbestreitbar ein Liebespaar sind, und außerdem beide bereits im Tvinnr-Alter…«
»Es sind also bei dir bisher bloße Vermutungen.«
»Ja. Aber ich vermute, korrekte.«
»Ja. Gut. Ich verstehe, was du meinst.«
Taniane warf einen Blick zum Fenster. Nach dem plötzlichen heftigen Guß ließ der Regen nun ein wenig nach, und der Himmel hellte sich auf.
»Hast du irgendwelche Anweisungen für mich, Herrin?«
»Ja. Ja, sicher.« Ihre Kehle war strohtrocken, und in ihrem Kopf pochte es. Sie mußte endlich aufbrechen, im Tempel der Beng erscheinen und das Ritual ableiern, durch das Nakhaba in die privaten himmlischen Gefilde des Erschaffers katapultiert wurde. Aber die bildliche Vorstellung, daß ihre Nialli und dieser Kundalimon tvinnerten, brannte ätzend in ihren Gedanken. Sie versuchte das Bild zu verdrängen, aber es wich nicht. Also sagte sie steif und von oben herab: »Behalte sie weiterhin im Auge wie bisher. Wenn du wirklich etwas Genaues darüber herausfindest, was zwischen ihr und Kundalimon vorgeht, wünsche ich davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Doch sorge dafür, daß sie nicht merkt, daß sie überwacht wird.«
»Selbstverständlich. Und wie verfahren wir im anderen Punkt, der hjjkischen Indoktrination unserer Kinder?«
Der Häuptling wandte ihm das volle Gesicht zu. »Dem muß sofort ein Ende gesetzt werden. Wir können nicht zulassen, daß er die Jugend verdirbt. Du verstehst, was ich sage? Ein Ende!«
»Jawohl, Edle. Ich habe verstanden. Vollkommen.«
Im nieselnden Morgen des Dawinno-Festivals hockte Hresh im Haus des Wissens und machte sich Notizen über seinen Besuch bei den Caviandis. Im späteren Tagesverlauf würde er sich auf der Tribüne des Festivals zeigen und seinen Ehrenplatz an der Seite Tanianes einnehmen und den jungen Athleten der Stadt bei ihren Hampeleien zuschauen müssen. Er konnte sich leider da nicht drücken, es hätte einen Skandal gegeben und wäre überdies auch als gottesfrevlerisch angesehen worden. Immerhin hatte er ja höchstselbst vor Jahren dieses Fest sich ausgedacht, um den klugen, erfinderischen und unberechenbaren Gott zu ehren, der sein persönlicher Schutzgott war – und der der Stadt. Aber es blieben ihm ja immerhin noch einige Stunden, um ein bißchen vernünftige Arbeit zu leisten.
Er hörte Geräusche vor der halboffenen Tür. Dann ein sachtes Klopfen und ein verstohlenes Räuspern.
»Vater?«
»Nialli? Es ist doch nicht etwa schon Zeit für die Spiele?«
»Nein. Es ist noch ganz früh. Ich wollte nur mit dir reden, ehe das Ganze losgeht.« Eine Pause. »Ich habe jemanden mit mir.«
Hresh kniff die Augen gegen die Dunkelheit zusammen. »Wer ist es denn?«
»Kundalimon. Wir wollten zusammen mit dir etwas besprechen.«
»Ah.« Er preßte die Handflächen zusammen. »Also, schön. Dann kommt eben rein. Beide.«
Sie kamen aus dem Regen, aber die Tropfen schienen, anstatt in ihr Fell einzudringen, wie schimmernde Perltröpfchen an den Haarspitzen zu hängen. Und von den beiden selbst ging gleichfalls ein strahlender Schimmer aus. Es umgab sie eine Aura von einzigartiger Freude. Sie traten vor Hresh und hielten sich an den Händen, unschuldsvoll wie Kinder, aber bis zum Rand voll von Glückseligkeit, ja überfließend.
Bei ihrem Anblick empfand Hresh beunruhigt so etwas wie Freude, aber auch eine beklemmende
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