Der neue Frühling
Gründen kein Salaman-Sohn in der Lage sein sollte, ihn zu besteigen.
Dem standen zwei Hindernisse im Wege.
Das eine war, daß es einfach noch zu früh nach Naarintas Tod war, als daß er sich eine neue Partnerin hätte zulegen dürfen. Er gehörte zur Kaste der Edlen; man mußte auf Dekorum achten, und es galt, die Gefühle von Naarintas Familie zu berücksichtigen. Ganz gewiß würde er sich wieder partnerbinden, aber doch nicht schon jetzt und so überstürzt.
Davon abgesehen gab es aber ein tieferes Hemmnis. Er fühlte für Weiawala keine Liebe, jedenfalls nicht jene Art Liebe, die den Wunsch nach Partnerschaft entstehen läßt. Gewiß, seit seinem ersten Abend hier am Hof waren sie unzertrennlich gewesen. Sie hatten voll Eifer und Leidenschaft immer wieder kopuliert, aber sie hatten kein einzigesmal getvinnert. Thu-Kimnibol hatte es einfach nach dieser Intimität nicht verlangt, und auch Weiawala hatte durch nichts ein Interesse daran erkennen lassen. Und das, dachte er, war eben bezeichnend. Was wäre eine Ehepartnerschaft schon ohne Vertvinnerung – eine leere Sache.
Und außerdem war sie ja wirklich fast noch ein Kind – kaum älter, vermutete er, als seine Nichte Nialli Apuilana. Wie hätte er ein Kindweib zur Partnerin nehmen können? Er hatte die vierzig Jahre bereits überschritten, war bereits ein alter Mann, wie manche sagen würden. Nein! Weiawala war ihm in diesen Monden in Yissou eine genußvolle Bettgenossin gewesen, doch nun hatte die Sache ein Ende. Er mußte sie verlassen, sie aus seinen Gedanken verbannen, und wenn sie noch so sehr bettelte und wimmerte.
Das alles empfand Thu-Kimnibol als alles andere als ehrenhaft. Doch er würde Weiawala dennoch nicht mit nach Dawinno nehmen.
Wie er da so stand und verlegen nach Worten suchte, die das junge Weib beruhigen konnten – oder doch ihm zumindest einen würdevollen Abgang erlauben würden, trat der Königssohn Biterulve (der mit dem falben Fell, dieser bildhübsche, blitzgescheite Junge) vor sie hin. Er ergriff Thu-Kimnibols Hand mit selbstsicherer Bestimmtheit.
»Ich wünsch dir eine sichere, angenehme Reise, Oheim. Und mögen die Götter dich beschützen.«
»Innigen Dank dir, Biterulve. Wir werden uns in nicht allzu ferner Zeit wiedersehen, dessen bin ich gewiß.«
»Ich freue mich bereits darauf, Oheim.« Er ließ hastig den Blick zwischen Thu-Kimnibol und Weiawala schweifen und schaute dann wieder herauf in Thu-Kimnibols Augen. Die unausgesprochene Frage schwebte kurz zwischen ihnen, dann senkte sich der Blick wieder, und Biterulve schien nachdenklich die Dinge abzuwägen: die Ferne zwischen ihnen, den Ausdruck in den Augen seiner Schwester.
Wieder ein peinlicher Moment. Biterulve war Weiawalas Vollbruder, von der gemeinsamen Mutter Sinithista. Und er war der Liebling des Königs, was nur allzu deutlich war. Er war unter allen jungen Prinzen anscheinend der klügste und der bei weitem kultivierteste und hatte kaum etwas von jener Überheblichkeit, durch die sich Chham und Athimin auszeichneten, oder von der lauten Grobheit der übrigen Salamanssöhne. Aber hier fand er nun seine Schwester, und sie wurde vor seinen Augen verschmäht. Bei aller Nobelkeit des Herzens, so etwas war vielleicht doch schwer zu schlucken. Würde er das Problem ans Licht zerren und so alle Welt in Verlegenheit bringen?
Offensichtlich nicht. Mit feinstem Takt wandte Biterulve sich an Weiawale und sagte: »Nun, meine Schwester, wenn du dich von Thu-Kimnibol verabschiedet hast, dann komm jetzt mit mir zu unsrer Mutter. Sie möchte gern mit uns das Frühstück einnehmen.«
Weiawala stierte ihn nur dumpf an.
»Und danach«, sprach Biterulve weiter, »steigen wir alle auf die Mauerkrone und winken unserem Gevatter aus Dawinno zu, wenn er zu seiner Fahrt aufbricht. Also, komm! Komm schon!« Er legte dem Mädchen den Arm um die Schulter. Er war kaum größer als sie und auch kaum kräftiger. Aber er zog sie mit sanfter Gewalt einfach mit sich. Einmal wandte Weiawala sich um und warf Thu-Kimnibol einen panikerfüllten waidwunden Blick über die Schulter zu. Dann war sie endlich aus dem Zimmer, und Thu-Kimnibol empfand überschwengliche Dankbarkeit. Wie klug doch dieser kleine Bursche war!
Aber würde Salaman ebenso verständnisvoll reagieren? So kooperativ?
Nun, da würde man eben später die Sache irgendwie wieder einrenken müssen. Irgendwie. Es dürfte ja nicht schwerfallen, dem König zu verdeutlichen, daß es nicht der rechte Zeitpunkt gewesen wäre, sich
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