Der neue Frühling
eine eheliche Gefährtin aus dem Königshaus der Stadt Yissous zu wählen, jedenfalls noch nicht. Das Weiawala plausibel zu machen, war zweifellos schwieriger. Aber sie war ja so jung. Sie würde vergessen und sich in jemand anders verlieben.
Und wenn ich jemals hier König sein sollte, dachte er, dann will ich diesen wahrhaft königlichen Prinzen Biterulve hoch erheben und ihn an meine Seite setzen. Und sollte mir kein Sohn geschenkt werden, so soll er nach mir König sein in Yissou. Wir werden uns in der Dynastie abwechseln – ein Salamanssohn nach dem Sohn Harruels.
Er mußte über seine törichten Ideen lachen. Er eilte da der Entwicklung arg viele Schritte voraus. Zu viele, wahrscheinlich.
Esperasagiot wartete bei den Reisewagen, draußen im Hof. Mißmutig betrachtete der Karawanenführer den schweren grauen Himmel. Vor Zorn stand ihm das hellgoldene Fell aufgeplustert vom Körper ab. Thu-Kimnibol bedachte er mit einem finsteren Blick. »Also, wenn es nach mir ginge, ich sag das ist kein anständiges Wetter, um aufzubrechen.«
»Ja, es könnte besser sein. Aber heute fahren wir nun eben von hier ab.«
Esperasagiot spuckte aus. »Die Leute hier sagen, diese Winterstürme dauern höchstens noch eine oder zwei Wochen.«
»Oder drei oder vier. Wer kann das schon wissen? Der Befehl des Häuptlings hat mich heimbeordert, Esperasagiot. Bist du von dieser trostlosen Stadt dermaßen hingerissen, daß du hier auf das Frühjahr warten möchtest?«
»Ich liebe meine Xlendis, Prinz!«
»Und? Werden sie in der Kälte nicht durchhalten?«
»Die Rasse hat im Langen Winter Schlimmeres überdauert. Aber es wird ihnen nicht bekommen, da draußen in der Kälte. Ich hab dir doch oft genug gesagt, das sind Tiere aus der Stadtzucht. Sie sind es warm gewöhnt.«
»Dann werden wir sie eben warmhalten. Laß dir von den Knechten König Salamans zusätzliche Decken geben. Und wir wollen dafür sorgen, daß sie nicht überanstrengt werden. Wir fahren ganz gemächlich, genau wie du es gern hast. Und wenn diese elende Jahreszeit sowieso fast vorbei ist, nun, dann stehen uns ja nur noch einige wenige kalte Tage bevor. Aber bis dahin sind wir schon ein gutes Stück weiter auf dem Weg nach Dawinno.«
Der Wagenmeister lächelte frostig. »Wie du befiehlst, Prinz.«
Er stapfte zu den Stallungen. Thu-Kimnibol erblickte Dumanka auf der anderen Seite des Hofes, wo er die Proviantlisten überprüfte. Er winkte Thu-Kimnibol fröhlich zu, ohne jedoch seine Arbeit zu unterbrechen.
Es war Mittag, als sämtliche Vorbereitungen endlich abgeschlossen waren und der Treck sich durch das Südtor in Bewegung setzte. Es schien eine helle Sonne, und der Wind blies fast gar nicht. Das Land vor der Mauer allerdings wirkte recht abweisend. Kahle laublose Bäume ragten überall wie abgestorben zum Himmel, und an den Nordhängen klebte eine Schicht eisigen Reifs. Am späten Nachmittag braßte der Ostwind auf und schnitt wie ein Krummschwert über die dürre Ebene. Das einzige Anzeichen von Leben kam von den Laternenbäumen direkt südlich der Stadt, denn selbst in diesem rauhen Wetter waren sie nicht von den winzigen Vögeln verlassen, die ihr Glühen bewirkten. Bei Anbruch der Nacht begannen sie ihren schwachen flimmernden Lichtschein zu verbreiten, was allerdings keinerlei besonders freudigen Jubelrufe bei den Reisenden bewirkte.
Thu-Kimnibol blickte zurück. Von der Brüstung der Stadtmauer schauten ihnen winzige Gestalten nach. Salaman? Und Biterulve? Weiawala? Er winkte ihnen zu. Und einige der Gestalten – nicht alle – winkten zurück.
Die Wagen zogen voran. Hinter ihnen verschwand Yissous Stadt. Langsam, behutsam machte sich die Gesandtschaft aus Dawinno auf den Heimweg nach Süden durch das winteröde Land.
7. Kapitel
Kriegsrollen
Eine Woche nach Thu-Kimnibols Abreise ließ Salaman den Anführer der Akzeptänzer in den Palast führen. Sein Name lautete Zechtior Lukin. Prinz Athimin, nach seiner Haftentlassung mehr als nur ein wenig zerknirscht, begab sich persönlich mit einem Halbdutzend Gardisten in das heruntergekommene Viertel im Osten der Stadt, um ihn zu verhaften. Er rechnete mit Widerstand. Doch zu seiner Überraschung zeigte Zechtior Lukin ebensowenig Bedenken, mitzukommen und mit dem König zu sprechen, wie er sich gescheut hatte, nackend auf den Straßen zu tanzen, als die Schwarzwinde bliesen. Er betrug sich vielmehr, als habe er damit schon lange gerechnet, daß der König ihn rufen lassen werde – ja, als sei er erstaunt,
Weitere Kostenlose Bücher