Der neue Frühling
dafür aber ohne Zwischenfälle. Jetzt stapfte er durch die großen verlassenen Räume seiner prächtigen Villa in Dawinno und entdeckte sie sozusagen neu und machte sich nach der langen Abwesenheit wieder mit seinem Heim und seinen Besitztümern vertraut. Es war niemand bei ihm, als er von einem hallenden Raum zum nächsten schritt und hier und dort innehielt, um die Objekte in den Schaukästen zu begutachten.
Überall schwebten Phantome und Gespenster. Denn die Sammelgegenstände hatten ja eigentlich Naarinta gehört; sie hatte zum großen Teil die antiken Schätze, von denen diese Räume überquollen, zusammengetragen und sie geordnet: die Brocken von Skulpturen aus der Großwelt, Architekturfragmente, seltsam verbogenen, verdrehte Metallgegenstände, deren Verwendungszweck man wahrscheinlich niemals würde erschließen können. Während er die Sammlung betrachtete, begann sein Sensor zu kribbeln, und er spürte, wie das ungeheure Alter dieser angeschlagenen, verbeulten Artefakte sich um ihn verdichtete, ihn stark und lebendig zu bedrängen begann, in fremdartigen Energieströmen pulste und vibrierte, so daß seine Villa ihm wie ein Totenhaus vorkam, und dabei war sie doch erst vor einem Dutzend Jahren erbaut worden.
Es war noch früh am Tag, kaum Stunden nach seiner Ankunft. Aber er hatte keine Zeit verloren, seine Kriegsvorbereitungsmaschinerie in Gang zu setzen. Für den Nachmittag hatte er einen Termin bei Taniane; zunächst aber hatte er Läufer ausgeschickt an Si-Belimnion, Kartafirain, Maliton Diveri und Lespar Thone: allesamt Männer mit Macht, Männer seines Vertrauens. Er wartete voll Ungeduld auf ihr Erscheinen. Es war nicht angenehm, hier so allein zu warten. Er hatte nicht damit gerechnet, wie schmerzhaft es sein würde, in ein leeres Haus zurückzukehren.
»Deine Gnaden?« Es war Gyv Hawoodin, sein Majordomus, ein betagter Mortiril, der seit Jahren in seinen Diensten stand. »Deine Gnaden, Kartafirain und Si-Belimnion wären da.«
»Schick sie rauf! Und dann bring uns Wein!«
Er umarmte die Freunde feierlich. Ein feierlicher Ernst schien überhaupt der passende Gesamttenor für diesen Tag zu sein: Si-Belimnion trug einen dunklen Umhang von trübseliger, geradezu begräbnishafter Düsterkeit, und sogar der sonst übersprudelnd fröhliche Kartafirain wirkte heute bedrückt und übellaunig. Thu-Kimnibol reichte ihnen den Wein, und sie leerten ihre Becher, als wäre es Wasser.
»Du wirst es nicht glauben, was sich hier während dein Abwesenheit getan hat«, begann Kartafirain. »Die gemeine Plebs singt Hymnen auf die Hjjkkönigin. Sie versammeln sich in Kellern, und kleine Kinder predigen ihnen einen verrückten Katechismus.«
»Die Hinterlassenschaft dieses Gesandten Kundalimon«, brummte Si-Belimnion und stierte trübselig in seinen Becher. »Husathirn Mueri hat uns ja gewarnt, daß der Kerl ein Jugendverderber ist, und das war er dann ja auch. Was für ein Jammer, daß er nicht früher umgebracht wurde.«
»Und es war Curabayn Bangkea, der ihn erledigt hat?« fragte Thu-Kimnibol.
Mit einem Achselzucken antwortete Kartafirain: »Der Wachhauptmann, ja. Jedenfalls sagt man das allgemein. Aber den hat auch jemand umgebracht. Am selben Tag.«
»Ich hab droben im Norden davon gehört. Und wer hat ihn beseitigt, was meint ihr?«
»Höchstwahrscheinlich die Person, wer immer das war, die ihn angestiftet hat, Kundalimon umzulegen«, sagte Si-Belimnion. »Damit der nicht reden kann, zweifellos. Keiner weiß, wer es gewesen sein könnte. Ich hab zwanzig verschiedene Hypothesen gehört, allesamt völlig absurd. Auf jeden Fall sind die Ermittlungen zunächst einmal fast eingeschlafen. Alles dreht sich nur noch um diese neue Religion.«
Thu-Kimnibol starrte ihn verblüfft an. »Ja, aber unternimmt denn Taniane nichts, um das auszumerzen? Ich hab da doch sowas gehört.«
»Es ist leichter, einen Waldbrand im Hochsommer zu löschen«, sagte Kartafirain. »Das hat sich rascher ausgebreitet, als die Wachtruppe ihre Kapellen schließen konnte. Und Taniane hat dann schließlich entschieden, daß es zu riskant sein würde, die neue Religion mit Stumpf und Stiel auszurotten. Es hätte zu einem Volksaufstand kommen können. Das niedere Volk beteuert lautstark, wie segensreich die Lehren der Königin sind. Sie ist ihre Trösterin und ihr Lustobjekt, so singen sie in ihren Gebeten. Das Licht und der Weg. Und sie glauben, alles hier bei uns wird Liebe-Frieden-Honigschlecken sein, sobald nur erst einmal diese
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