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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Deckung im Staub. Eierproduzenten und Lebenskeimzünder werden beim Versuch zu fliehen niedergemetzelt… Und zuletzt die allerscheußlichste Aggression: Sogar die Königin-der-Königinnen in Eigner Geheiligter Person wird aus der tiefen Kammer gezerrt und hingerichtet. Ihr Leib zerschnitten und verbrannt.
    Unvorstellbar! Zum zweitenmal an diesem Tag geriet um Nialli herum die Welt ins Schwanken und begann zu wirbeln.
    Dieser Krieg darf nicht stattfinden, dachte sie.
    Sie hätte gern laut losgebrüllt, ihrer Wut, Empörung und ihrer Kampfansage gegen die Kriegstreiber gern lautstark Ausdruck gegeben. Sie hätte gern warnende Botschaft ins Nest gesandt, um den Verrat zu denunzieren, den ihre, Niallis, eigenen Leute da begingen. Warnen – durch Träume, oder durch das Zweitgesicht, oder den Barak Dayir… oder auf jede andre Weise, die ihr einfallen mochte. Mehr noch: Sich der geballten Streitmacht von Thu-Kimnibol und Salaman entgegenwerfen und ihren Vormarsch in das geheiligte Gebiet der Königin aufhalten, und durch puren persönlichen Willen und ihre Seelenkraft ihr gesetzloses sündhaftes Streben abzuwenden. Ja, das wollte und würde sie tun, und wenn es sie das Leben kostete.
    Zornig ballte sie die Fäuste. Alles wollte sie tun, um die Königin und das Nest zu verteidigen. Sie wollte…
    Wollte…
    Wollte… wollte… Was tun?
    Nichts.
    Nichts würde sie tun…
    Alles war weg und leer. Wo einen Augenblick zuvor noch heißglühender Zorn und Abscheu waren, war jetzt nur noch Leere.
    Von einem Augenblick zum anderen war ihr ganzer wilder empörter Zorn erloschen, und sie befand sich in einem merkwürdigen Zustand der Leere, der Benommenheit, fast als wäre sie scheintot. Wieso sollte es sie bekümmern, was mit dem Nest geschah? Und warum brannte sie so sehr darauf, ihr eigenes Leben für das Wohl der Königin zu opfern?
    Und dann, in all ihrer Benommenheit, begriff sie, daß diese ganzen wilden Verzweiflungsgedanken, die in ihrer Seele so unfreiwillig heraufgeschossen waren, völlig unhaltbar und substanzlos waren.
    Sie waren Trug und Talmi. Nichts weiter als automatische Reaktionen, bar jeden echten Gefühls. Ein letztes Aufzucken der glühenden Loyalitätsflamme, die einstmals für die Königin in Niallis Seele gelodert hatte. Aber das hier war ihr VOLK. Hier. Hier war ihre Stadt.
    Und nun zeichneten sich in ihrem Kopf wie eine rote Flammenlinie die Erinnerungen an ihre morgenliche Erfahrung ab. Das gräßliche Bild, als sie ins Zentrum des Grassterns geblickt hatte. Die Eindrücke, die sie in panischer Verwirrung zu ihrem Vater hatten fliehen lassen, um bei ihm Trost zu suchen. Die Klauen, die klickenden Schnäbel, die höhnenden fremdartigen Augen. Sie hörte wieder das zischende Gelächter und die verführerisch wispernden Stimmen. Und nun wußte sie, was diese schreckliche Vision ihr zu sagen hatte.
    Noch einmal beschwor sie das Bild in sich herauf, wie die siegreichen Heere des VOLKS das NEST zerstörten, wie sein Reichtum vernichtet, seine Wahrheit niedergemetzelt, der Ei-Plan ausgelöscht und sogar auf entsetzliche Weise die Köngin-der-Königinnen vernichtet wurden. Sie stellte sich dem allem und sah es höchst lebendig in ihrem Kopf.
    Aber zu ihrer Verblüffung berührte das alles sie nicht mehr. Sie fand nichts mehr von der Empörung in sich, welche die gleichen Bilder noch vor kurzem in ihr ausgelöst hatten. Sie war befreit. Heute endlich hatte sie den Zauberbann ein für allemal gebrochen.
    Was bedeutet es mir schon, wenn das Nest zerstört wird? Wenn die Himmlische Fünffaltigkeit beschlossen hat, daß unsere Bahn und die der Hjjks auf Kollisionskurs laufen sollen, nun, so muß das so geschehen, wird geschehen und ist gut so. Und ist gut so. Und wenn der Zusammenstoß erfolgt, dann gehört meine Loyalität meinen eigenen Leuten.
    Alles war für sie nun klar und deutlich.
    Wenn es denn zum Krieg kam, dann durfte sie nicht das Geschick des Insektenvolkes beklagen, für das sie so lange mutig eingetreten war, sondern die Verluste an jungen Männern und Frauen aus dem VOLK – ihrem Volk –, die bei dem Feldzug zugrundegehen würden und Tote sein, lang bevor ihre natürliche Zeit gekommen war… tragische, sinnlose Verluste. Darin lag das wirklich Entsetzliche: ihr Blut meilenweit vergossen in den endlosen öden Nordlanden.
    »Nialli?« Hreshs Stimme drang zu ihr wie aus einer anderen Welt.
    Sie gab ihm keine Antwort. In ihrem Hirn kreisten wirbelnd Fragen, die sie nicht zu stellen wagte, und

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