Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Aber es gab keine andere Möglichkeit, als weiterzukämpfen… weiterzukämpfen…
    Der Nebeldunst zerteilte sich, sein Kopf war wieder klar. Da lagen sie, Biterulve und Athimin, vor ihm auf der Erde, und er selber war dem Tode nahe. Und auf einmal überkam ihn mit völliger Klarheit, wie dumm, wie nutzlos und wie sinnlos sein Leben dahingegangen war alle die Jahre, die er verschwendet hatte, um einen Wall zu bauen, um einen fernen und ihm unbekannten Feind zu hassen, den er am einfachsten besser völlig ignoriert hätte.
    Er wandte sich um und sah, daß die schimmernde gelbschwarze Kreatur ihn ernst betrachtete, ganz so, als hätte sie noch nie einen Mann aus dem VOLK erblickt. Dann hob sie erneut die Waffe.
    »Nur los!« sagte Salaman. »Was spielt es schon für eine Rolle!«
    »Vater! Zurück!«
    Chham war das. Salaman lachte. Er wies auf seine zwei gefallenen Söhne. »Da, sieh und schau!« sagte er. »Biterulve kämpfte in der vordersten Linie. Und dann Athimin… Athimin…«
    Er spürte, wie er beiseite gestoßen wurde. Vor ihm schnitt ein Schwert durch die Luft. Der hjjkische Gegner fiel zurück. Chhams Gesicht war dann seinem ganz nahe. Aber das war ja das gleiche Gesicht wie sein eigenes, es war, als blickte er in einen Spiegel, der weit in die Zeit, aus der Zeit reflektiert.
    »Vater, du bist verwundet.«
    »Biterulve… Athimin…«
    »Komm, laß mich dir helfen.«
    »Biterulve…«
    Thu-Kimnibol war erstaunt. »Was? Salaman ist hier bei uns? Und seine Armee?«
    »Was noch von ihr übrig ist«, sagte Esperasagiot. »Ein trauriger Anblick, Herr. Es ist wohl am besten, du reitest ihnen entgegen. Es sieht kaum so aus, als würden sie es noch bis zu uns hierher schaffen.«
    »Könnte das eine Finte sein?« fragte Nialli Apuilana. »Haßt er uns vielleicht dermaßen, daß er uns aus dem Lager locken will, um uns dann auch noch anzugreifen?«
    Esperasagiot lachte. »Nein, Herrin. In dem Mann ist kein Platz mehr für Haß. Wenn du ihn sehen würdest, du würdest es gleich merken. Das ist ein geschlagener Haufen. Ein Wunder, daß es überhaupt einer lebendig bis zu uns geschafft hat.«
    »Wo stehen sie?« fragte Thu-Kimnibol.
    »Eine halbe Stunde im Sattel.«
    »Laß mein Xlendi bringen. Du, Dumanka, Kartafirain begleitet mich, und zehn Krieger.«
    »Soll ich auch mitkommen?« fragte Nialli.
    Thu-Kimnibol funkelte sie an. »Du bleibst besser bei deinem Vater. Man hat mir berichtet, daß er heute morgen recht geschwächt ist. Einer von uns sollte bei ihm sein, falls es zu Ende geht.«
    »Ja«, sagte sie leise und wandte sich ab.
    Die kläglichen Überreste der Streitmacht der Stadt Yissous hatten eine Art Lager an einem Flüßchen in ungeschütztem Gelände etwas nördlich von Thu-Kimnibols eigenem Lager bezogen. Esperasagiot hatte keineswegs übertrieben: Es war ein trauriger Anblick. Nur wenige hundert Mann aus der gewaltigen Kriegerhorde, die von Yissou aufgebrochen war, befanden sich da, und jeder einzelne von ihnen schien verwundet zu sein. Sie lagen wie weggeworfene Kleidungsstücke über den Grund verstreut, und dahinter ragten drei zerfledderte schiefe Zelte auf. Als Thu-Kimnibol heranritt, kam ihm humpelnd zur Begrüßung ein Mann mit grimmer Miene entgegen, den er als den Prinzen Chham, Salamans Sohn, erkannte.
    »Eine beklagenswerte und betrübliche Wiederbegegnung, Prinz. Es erfüllt mich mit Beschämung, daß ich dir so unter die Augen treten muß.«
    Thu-Kimnibol suchte nach Worten und fand nichts Tröstliches. Nach einem peinlichen Schweigen beugte er sich nieder und umarmte Chham stumm und sehr behutsam, aus Furcht, dabei eine Wunde wieder aufplatzen zu lassen.
    »Können wir etwas für euch tun?« fragte er.
    »Heilkundige. Arzneien. Nahrung. Aber vor allem brauchen wir Ruhe und Erholung. Wir sind auf dem Rückzug – ich kann dir gar nicht sagen, wie lange schon. Seit einer Woche, seit zweien? Wir haben sie nicht gezählt.«
    »Es betrübt mich zu sehen, wie schlimm die Lage sich für euch entwickelt hat.«
    Es gelang Chham, seinen alten Mannesstolz kurz aufflackern zu lassen. »Ach, zu Beginn lief alles großartig. Wir haben sie geschlagen und immer wieder geschlagen. Wir haben sie erbarmungslos niedergemacht. Mein Vater kämpfte wie ein Gott. Nichts konnte seinem Ansturm standhalten. Aber dann…« – er wandte den Blick ab – »… dann haben die Wanzlinge trickreichen Trugzauber wider uns eingesetzt. Wunderstein-Illusionen, zauberische Phantasiegebilde, Traumstoffe. Du wirst es selber

Weitere Kostenlose Bücher