Der neue Frühling
merkwürdige halbe Lächeln auf sein Gesicht.
Hresh hatte die Augen geschlossen. Er schien kaum zu atmen. Er war in seinem eigenen Beschwörungszauber versunken, und sein Geist war völlig der Kraft des Barak Dayir überantwortet. Doch nach einer Ewigkeit sah man, daß er zurückkehrte. Es war sehr still im Saal.
»Sein Name lautet Kundalimon«, sagte Hresh.
»Kundalimon«, wiederholte Husathirn Mueri ernst, als besäße der Name für ihn irgendeine tiefe Bedeutung.
»Jedenfalls glaubt er das. Er ist sich da nicht völlig sicher. Er ist auch nicht völlig sicher, ob er weiß, was ein Name überhaupt ist. Unter den Hjjks hat er keinen Namen. Aber Spuren des Namens Kundalimon haften noch in seiner Erinnerung – wie die Reste der Grundmauern einer Ruinenstadt. Er weiß, daß er hier geboren wurde – vor siebzehn Jahren.«
Husathirn Mueri sprach leise zu dem Büttel: »Geh ins Haus des Wissens. Überprüfe, ob sie dort irgendwelche Aufzeichnungen haben über ein verlorenes Kind namens Kundalimon.«
Hresh schüttelte den Kopf. »Nein. Laß das. Darum kümmere ich mich persönlich. Später.« Er wandte sich wieder dem Fremden zu. »Wir werden dich lehren müssen, deinen Eigennamen zu kennen. In dieser Stadt hat jeder einen Namen, einen, der nur ihm ganz persönlich gehört.« Und mit klarer hoher Stimme sagte er: »Kundalimon.« Und zeigte auf den Jungen.
»Kundalimon«, wiederholte der Fremde, nickte und klopft sich auf die Brust. Etwas, das schon beinahe ein richtiges Lächeln war, lag auf seinem Gesicht.
Hresh berührte seine eigene Brust. »Hresh.«
»Hresh«, sprach der Fremde nach. »Hresh.«
Dann blickte er Nialli an.
»Er will auch deinen Namen wissen«, sagte Hresh. »Also, los. Sag ihn ihm.«
Nialli nickte. Aber zu ihrem Entsetzen war ihre Stimme nicht da, als sie sprechen wollte. Aus ihrem Hals kam nur ein Husten und ein gequältes heiseres Krächzen, das fast schon wie ein Hjjk-Laut klang. Bestürzt und beschämt riß sie die Hand vor den Mund.
»Sag ihm deinen Namen«, befahl Hresh erneut.
Stumm tippte sie sich mit den Fingerspitzen an die Kehle und schüttelte den Kopf.
Hresh schien sie zu verstehen. Er nickte Kundalimon zu und deutete auf seine Tochter. »Nialli Apuilana«, sprach er mit der gleichen klaren hohen Stimme wie zuvor.
»Nialli – Apuilana«, wiederholte Kundalimon sorgfältig und starrte sie dabei an. Die geschmeidigen Vokale und fließenden Konsonanten schienen ihm nicht leicht über die Lippen zu kommen. »Nialli… Apuilana…«
Sie wandte den Blick ab, als hatte sie sich an seinen Augen versengt.
Hresh nahm erneut den Barak Dayir, schloß die Augen und zog sich wieder in seine Trance zurück. Kundalimon stand bewegungslos wie eine Statue vor ihm. Es herrschte äußerste Stille im Raum.
Kurz darauf schien Hresh zurückzukehren, und nach einer Weile sagte er: »Wie seltsam sein Bewußtsein ist! Er hat bei den Hjjks gelebt, seit er vier Jahre alt war. Hat im großen Hauptnest gewohnt, dem Nest der Nester, hoch oben im Norden.«
Im Nest der Nester! In der Umgebung der Königin der Königinnen höchstselbst! Nialli verspürte eine Welle von Neid in sich aufsteigen.
Sie fand ihre Stimme wieder und fragte leise: »Und hast du erfahren, warum er hierher gekommen ist, Vater?«
In seltsam gedämpftem Ton antwortete Hresh: »Die Königin will einen Vertrag mit uns schließen.«
»Einen Vertrag?« sagte Husathirn Mueri.
»Ja, einen Vertrag über einen ewigen Frieden.«
Husathirn Mueri sah wie betäubt aus. »Was sind die Bedingungen? Hast du das erfahren?«
»Sie wollen, daß quer über den Kontinent eine Linie gezogen wird, irgendwo direkt nördlich der Stadt Yissou. Alles, was nördlich von dieser Grenzlinie liegt, soll danach Hjjkerland sein, alles südlich davon bleibt VOLKS-Gebiet. Kein Angehöriger unserer verschiedenen Rassen darf künftig das fremde Territorium betreten.«
»Ein Vertrag«, wiederholte Husathirn Mueri verwundert. »Die Königin will einen Vertrag mit uns schließen? Ich kann es nicht glauben.«
»Ich ebensowenig«, sagte Hresh. »Das klingt doch fast zu schön, um wahr zu sein, wie? Klare festgelegte Grenzen. Ein Abkommen über territoriale Unverletzlichkeit. Alles ganz klar, alles ganz direkt. Mit einem Streich das Ende unserer Furcht vor einem Krieg mit denen, die uns unser ganzes Leben lang bedrückte.«
»Falls wir ihnen trauen können.«
»Ja. Falls wir ihnen trauen können.«
»Haben sie auch nach Yissou einen Gesandten geschickt, hast du
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