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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wirklich nicht viel von dem, was ich sage, was? Was, Kundalimon?«
    Er lächelte. Es war das wärmste Lächeln, das ihr bisher von ihm zuteilgeworden war. Wie die Sonne, die durch eine Wolkenformation bricht. Aber er schüttelte den Kopf.
    Sie mußte etwas anderes versuchen. So dauerte es zu lange.
    Ihr Herz begann zu hämmern.
    »Wir sollten am besten tvinnern«, sagte sie in plötzlicher Kühnheit.
    Wußte er, was das bedeutete? Nein. Er gab keine Reaktion von sich, sondern behielt nur dieses starre Lächeln bei.
    »Tvinnern – ich will mit dir tvinnern, Kundalimon. Was das ist, weißt du auch nicht? Tvinnr. Das tun wir vom VOLK mit unseren Sensoren. Weißt du überhaupt, was das ist, ein Sensororgan? Das Ding da, das bei dir da hinten herunterhängt wie ein Schwanz. Ich nehme an, es ist ein Schwanz. Aber eben viel mehr als ein Schwanz. Es steckt voller Rezeptoren, die durch dein Rückgrat direkt mit deinem Gehirn verbunden sind.«
    Er lächelte immer noch. Lächelte und begriff anscheinend gar nichts.
    Sie gab nicht auf. »Dieses Gefühlsorgan benutzen wir unter anderem auch dazu, um mit anderen Geschöpfen Kontakt aufzunehmen. Einen tiefen, starken und intimen Kontakt von Bewußtsein zu Bewußtsein. Vor unserem dreizehnten Lebensjahr dürfen wir das nicht einmal versuchsweise probieren, aber dann zeigt uns die Opferfrau, wie es geht, und dann dürfen wir uns selber Tvinnr-Partner suchen.«
    Er starrte sie nichtverstehend an. Schüttelte den Kopf.
    Sie griff nach seiner Hand. »Alle zwei Personen können Tvinnr-Partner werden – ein Mann und eine Frau, ein Mann und ein Mann, eine Frau und eine Frau, jeder. Es hat nichts mit Partnerbindung und Kopulation zu tun, begreifst du. Es ist eine Vereinigung der Seelen. Man tvinnert mit jedem, dessen Seele man teilen möchte.«
    »Tvinnr«, sagte er und lächelte sogar noch mehr.
    »Tvinnr, ja. Ich hab es erst einmal gemacht – als ich dreizehn war, verstehst du? – mit Boldirinthe, der Opferfrau. Seitdem – nie wieder. Hier interessiert mich niemand in dieser Beziehung. Aber wenn ich mit dir tvinnern könnte, Kundalimon…«
    »Tvinnern?«
    »Wir würden zu einem Kontakt gelangen, wie wir ihn in unserem ganzen Leben bisher nicht gekannt haben. Wir könnten Nest-Wahrheiten miteinander teilen, und wir brauchten dazu nicht einmal die Sprache des anderen zu sprechen, denn die Tvinnr-Verständigung ist jenseits bloßer Worte.« Sie blickte über die Schulter, um zu sehen, ob die Tür verriegelt sei. Sie war. Auf einmal fühlte sich Nialli wie von einem Fieber gepackt. Ihr Pelz war feucht, ihre Brüste hoben und senkten sich hastig. Ihr eigener Körperduft stieg ihr penetrant und süßlichscharf in die Nüstern, der Gestank eines Tieres.
    Vielleicht würde er allmählich begreifen.
    Vorsichtig richtete sie ihren Sensor auf, stülpte ihn vor und ließ ihn sacht über den seinen gleiten.
    Einen kurzen Moment lang war der Kontakt da. Es war wie ein Blitzschlag. Mit erstaunlicher Klarheit fühlte sie seine Seele: ein glattes fahles Pergament, auf dem in einer dunklen, kühnen, unvertrauten Handschrift seltsame Texte geschrieben waren. Sie waren voll von einer großen Zärtlichkeit und Süße und – Fremdheit. Das dunkle klösterliche Mysterium des Nests war in allem spürbar. Aber er war für Nialli offen und zutiefst verletzlich, und es würde nicht schwierig werden, den Tvinnr-Prozeß zu vollenden und ihrer beider Bewußtheiten in höchster Intimität zu verknüpfen. Erleichterung, Freude, ja sogar beinahe etwas wie Liebe strömte durch Niallis Seele.
    Dann jedoch, nach diesem ersten überwältigenden Augenblick, entriß er ihr sein Sensororgan, zerbrach den Berührungskontakt abrupt und schneidend schmerzhaft. Er stieß einen scharfen brüchigen Laut aus, halb ein Knurren und halb das insektenhafte Zirpen der Hjjks, und schlug blindlings mit beiden Armen gleichzeitig auf sie ein, genau wie ein Hjjk es getan hätte. Seine Augen funkelten in wilder Panik. Dann sprang er nach rückwärts, kauerte sich in Abwehrhaltung in einen Winkel, fest gegen die Wand gepreßt, und keuchte vor Abscheu und Entsetzen. Sein Gesicht war eine in Furcht und Schock erstarrte Maske: die Nüstern gebläht, die Lippen waren scharf zurückgezogen und gaben beide Reihen der gebleckten Zähne frei.
    Mit weiten Augen starrte Nialli Apuilana ihn an. Sie war entsetzt über das, was sie angerichtet hatte.
    »Kundalimon?«
    »Nein! Weg! Nein.«
    »Ich wollte dich doch nicht erschrecken. Nur…«
    »Nicht!

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