Der Neue Frühling
Frau vor ihr mit einem hoffnungsvollen Lächeln. Und einem Funkeln Habgier in den blassen Augen. Der Säugling auf ihrem Arm machte glückliche, gurgelnde Geräusche. »Ich wünsche mir sehr, ich könnte es mir leisten, mit ihm zur Seherin zu gehen.« Das graue Wollkleid der Frau sah fast neu aus.
Moiraines Temperament flammte auf, und dieses eine Mal machte sie keine Anstrengungen, es zu zügeln. »Ich könnte ihn Heilen«, erwiderte sie kühl. »Natürlich ist er sehr jung. Möglicherweise überlebt er es nicht. Vermutlich nicht.« In diesem Alter würde er die Anstrengungen des Heilens sicherlich nicht überleben, davon abgesehen war das eines der wenigen Gewebe, die Aufgenommene nur unter Aufsicht einer Schwester durchführen durften. Ein Fehler beim Heilen konnte mehr als die Weberin verletzen. Die Frau wusste darüber natürlich nicht Bescheid, und als Moiraine eine behandschuhte Hand ausstreckte, wich sie zurück und umklammerte den Säugling beschützend; ihr quollen vor Furcht beinahe die Augen aus dem Kopf.
»Nein, Aes Sedai. Vielen Dank, aber nein. Ich ... ich werde das Geld schon zusammenkratzen, ganz bestimmt.«
Die Wut verblasste – sie hielt nie lange vor –, und einen Augenblick lang schämte sich Moiraine. Aber nur kurz. Die Burg konnte sich Großzügigkeit leisten, aber man durfte niemandem gestatten, die Aes Sedai für Närrinnen zu halten. Ein guter Teil der Macht der Burg entstammte dem Glauben, dass Schwestern in allem das genaue Gegenteil von Närrinnen waren. Wieder ging Getuschel durch die Reihen, und die Frau, die ihr Kind an der Hand führte, eilte schneller weg, als sie gekommen war. Zumindest würde man sich nicht mehr mit ihr auseinander setzen müssen. Es wäre unmöglich gewesen, bei jemandem, der glaubte, die Burg so leicht zu täuschen, auf böse Worte zu verzichten.
»Gut gemacht«, murmelte Siuan, und ihre Feder kratzte weiter über das Papier. »Sehr gut gemacht.«
»Danil«, sagte Moiraine und schrieb. »Und Euer Name?« Ihr Lächeln galt dem Kompliment, aber Danils Mutter schien es als Zeichen der Vergebung zu werten und antwortete eifrig. Moiraine hörte es erleichtert. Viele Menschen fürchteten die Weiße Burg, gelegentlich mit gutem Grund – die Burg konnte streng sein, wenn sie es musste –, aber Furcht war ein schlechtes Werkzeug, das schließlich immer dem Benutzer schadete. Das hatte sie gelernt, lange bevor sie in die Burg gekommen war.
Nachdem die Sonne ihren Zenit überschritten hatte, holten sie ihr Essen aus den Satteltaschen. Es war sinnlos, einen von Stelers Männer darum zu bitten. Sie kauerten nicht weit von der Stelle, an der ihre Pferde an einer der Pferdeseile angezurrt waren, auf den Fersen und aßen ihr Mittagsmahl aus Trockenfleisch und Brotscheiben. Keiner sah bereit aus, auch nur einen Finger zu rühren. Aber Steler nickte ihnen zu, als sie von ihren Pferden zurückkehrten, ein ganz knappes Nicken, aber durchaus anerkennend, wie Moiraine fand. Männer waren wirklich ... seltsam.
Da weniger als die Hälfte der Frauennamen niedergeschrieben war, hatte Moiraine zumindest mit einigem Murren gerechnet, aber die, die noch übrig waren, gingen ohne die geringste Beschwerde zu ihren eigenen Mahlzeiten. Eine schwarze Frau mit tairenischem Akzent brachte einen zerbeulten Teekessel, der bis zum Rand mit heißem, schwarzem Tee gefüllt war, sowie zwei grüne Becher mit zersprungener Glasur, und eine schlanke grauhaarige Frau brachte zwei dampfende Holzkrüge, aus denen der Geruch von heißem, gewürztem Wein drang. Ihr faltiges Gesicht sah aus, als hätte es nie gelächelt.
»Susa Wynn ist zu stolz, als dass sie von jemand anderem auch nur das Nötigste an Essen annimmt, außer für ihr Kind«, sagte sie mit einer Stimme, die tief für eine Frau war, als sie die Krüge abstellte. »Was Ihr getan habt, war freundlich und gut.« Mit einem Nicken wandte sie sich ab und ging, den Rücken so gerade wie ein Gardesoldat auf einer Parade. Ein seltsames Verhalten einer Aes Sedai gegenüber.
»Sie weiß, wer wir wirklich sind«, meinte Siuan leise und nahm den Krug mit beiden Händen, um die Wärme in ihre Finger dringen zu lassen. Moiraine folgte trotz der Handschuhe ihrem Beispiel. Die Finger der armen Siuan mussten durchgefroren sein.
»Sie wird es keinem sagen«, erwiderte Moiraine nach einem Augenblick, und Siuan nickte. Nicht, dass die Wahrheit Probleme machen würde, nicht bei der Anwesenheit von Steler und seinen Männern, aber es war besser,
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