Der neue Geist von Pao
ausgezeichnet. Ich werde dich auf meine private Mutterschaftsstation bringen, wo du die bestmögliche Pflege haben wirst.«
Sie blickte ihn ungläubig an. »Es ist Ihr Kind?«
»Nach den unfehlbaren Angaben des Computers ... Wenn dein Benehmen entsprechend ist, kannst du dir noch eine zusätzliche Gratifikation verdienen. Ich versichere dir, ich bin sehr großzügig.«
Sie sprang mit funkelnden Augen auf. »Das – das ist ein Alptraum! Nie werde ich ein solches Ungeheuer gebären!«
Sie stürmte blindlings aus dem Raum. Der Arzt und Palafox liefen ihr eilig nach. Sie rannte an dem Zimmer vorbei, in dem Beran wartete. Aber sie sah nur die offene Rolltreppe, die die einzelnen Stockwerke miteinander verband.
Kurz davor blieb sie stehen und blickte sich mit einer wilden Grimasse um. Die hagere Gestalt Palafoxs war nur noch wenige Meter entfernt. »Halt!« brüllte er. »Du trägst mein Kind!«
Sie schloß die Augen und warf sich auf die nach unten führende Treppe. Polternd rollte sie in die Tiefe, während Palafox ihr mit weitaufgerissenen Augen nachstarrte. Schließlich blieb sie als blutiges, schlaffes Bündel am fernen Ende der Treppe liegen.
Die Ärzte holten sie auf einer Bahre herauf. Aber das Kind gab keine Herztöne mehr von sich, und Palafox zog sich wütend zurück.
Gitan Netsko hatte sich die verschiedensten Verletzungen zugezogen, und da sie nicht mehr leben wollte, konnten die Ärzte sie auch nicht dazu zwingen ...
Als Beran am nächsten Tag zurückkam, erklärte man ihm, daß das Kind von Lord Palafox gezeugt worden war und daß das Mädchen sich, als sie es erfuhr, in die Mutterschaftsgemächer des Vaters zurückgezogen hatte, um die Geburtsprämie nicht zu verlieren.
Lord Palafox sorgte mit allen Mitteln dafür, daß die wahren Umstände nicht bekannt wurden, denn in der Gesellschaft Breakness' konnte nichts dem Ansehen eines Mannes so schaden, oder ihn gar der Lächerlichkeit aussetzen, wie eine Episode dieser Art: eine Frau, die lieber Selbstmord beging, als sein Kind zu tragen.
Eine Woche lang saß Beran grübelnd in seiner Kammer oder wanderte ruhelos durch die Straßen. Niemals war ihm das Leben so trostlos vorgekommen. Doch nach einer Weile verfiel er ins entgegengesetzte Extrem. Er stürzte sich über sein Studium im Institut und kannte nichts anderes mehr.
Zwei Jahre vergingen. Beran wuchs um gut einen Kopf, und die Haut spannte sich um seine Wangenknochen. Die Erinnerung an Gitan Netsko verblaßte und war nur noch ein bittersüßer Traum.
Zwei merkwürdige Dinge erlebte er während dieser beiden Jahre, Dinge, für die er keine Erklärung fand. Einmal traf er Palafox auf dem Korridor des Instituts. Der Dominie warf ihm einen so eisigen Blick zu, daß Beran verblüfft stehenblieb. Schließlich war er es, dem man übel mitgespielt hatte, nicht Palafox. Weshalb aber dann des Dominies offensichtliche Feindschaft?
Ein anderes Mal sah er von einem Lesetisch in der Bibliothek auf, weil er die neugierigen Blicke einer ganzen Gruppe hochgestellter Dominies auf sich ruhen fühlte. Es war, als amüsierten sie sich köstlich. Das war auch tatsächlich der Fall. Die Tatsache und Hintergründe von Gitan Netskos Tod waren doch ans Tageslicht gedrungen, und die Eingeweihten zeigten einander heimlich den grünen Jungen, den ein Mädchen Lord Palafox so sehr vorgezogen hatte, daß sie lieber in den Tod ging, als zu dem Dominie zurückzukehren.
Als die Erinnerung an Gitan Netsko nicht mehr so schmerzlich war, besuchte Beran wieder regelmäßig den Raumhafen, teils um Neuigkeiten von Pao zu erfahren, teils um die ankommenden Frauen zu sehen. Als er zum viertenmal auf die Fähre wartete, überraschte sie ihn, indem sie diesmal statt Frauen eine etwa fünfzigköpfige Gruppe junger Männer – zweifellos Paonesen – ausspuckte.
Er näherte sich einem der Burschen, die etwa in seinem Alter waren, als die Gruppe zur Registrierung Schlange stand. Er zwang sich, seine Stimme nicht allzu aufgeregt klingen zu lassen. »Wie geht es auf Pao?« fragte er.
Der Neuankömmling musterte ihn von Kopf bis Fuß, als wollte er abschätzen, inwieweit er die Wahrheit sagen durfte. Schließlich gab er eine unverfängliche Antwort: »So gut es eben gehen kann, wenn man die Zeiten und Umstände in Betracht zieht.«
Beran hatte nicht viel mehr erwartet. »Was macht ihr, eine so große Gruppe, hier auf Breakness?«
»Wir sind Linguistikstudenten und sollen hier einen Kurs für Fortgeschrittene
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