Der neue Geist von Pao
wollte, ich wäre mit ihm gestorben.«
»Nein. Das darfst du nicht sagen!« Beran versuchte, sie zu trösten. Er streichelte sie, küßte sie auf die Wange. Er konnte nicht dagegen an, seine Zärtlichkeiten wurden immer dringender. Sie wehrte sich nicht. Im Gegenteil, sie schien die Berührung als Ablenkung von ihrem Kummer zu begrüßen.
Sie erwachten früh am nächsten Morgen, als der Himmel noch schwarzgrau war. Schweigend lagen sie nebeneinander. Schließlich sagte Beran: »Du weißt so wenig über mich. Bist du nicht neugierig?«
Sie murmelte etwas Unverständliches, und Beran fühlte sich ein wenig gekränkt. »Ich bin Paonese«, sagte er eindringlich. »Ich wurde vor fünfzehn Jahren in Eiljanre geboren. Ich lebe nur zeitweilig hier auf Breakness' und studiere im Institut. Ich weiß noch nicht genau, worauf ich mich spezialisieren soll ... Doch, jetzt weiß ich es! Ich werde Dominie der Linguistik werden.«
Gitan Netsko sah ihn an. Beran konnte den Ausdruck der seegrünen Augen im bleichen Gesicht nicht deuten. Er wußte, daß sie ein Jahr jünger war als er, aber er fühlte sich unter ihrem Blick so unsicher, so unbedeutend.
»Woran denkst du?« fragte er kläglich.
»An nichts ...«
Er beugte sich über sie, küßte ihre Stirn, ihre Wangen, ihre Lippen. Sie wehrte sich nicht, aber kam ihm auch nicht entgegen. »Magst du mich nicht?« fragte Beran besorgt. »Habe ich dich beleidigt?«
»Nein«, erwiderte sie mit sanfter Stimme. »Wie könntest du? Solange ich einem Mann von Breakness unter Vertrag verpflichtet bin, bedeuten meine Gefühle nichts.«
Beran setzte sich heftig auf. »Aber ich bin kein Mann von Breakness! Ich bin Paonese, wie ich dir gesagt habe!«
Gitan Netsko schwieg.
»Eines Tages kehre ich nach Pao zurück. Vielleicht schon bald. Wer weiß? Dann nehme ich dich mit.«
Immer noch schwieg sie. »Glaubst du mir nicht?« rief Beran aufgebracht.
»Wenn du wahrhaftig Paonese wärst, würdest du wissen, was ich glaube«, flüsterte sie.
Beran starrte sie an. Schließlich sagte er. »Gleichgültig, was ich bin, ich sehe, daß du mich nicht für einen Paonesen hältst!«
Wütend stieß sie aus: »Welchen Unterschied macht es schon? Weshalb sollte die Behauptung, Paonese zu sein, dich stolz machen? Die Paonesen sind rückgratlose Moorwürmer. Sie lassen es zu, daß dieser Tyrann Bustamonte ihnen das Leben schwermacht, sie erniedrigt und tötet. Doch sie erheben nicht einmal die Stimme dagegen. Einige flüchten auf einen anderen Kontinent, andere ...«, sie warf ihm einen Seitenblick zu, »auf einen fernen Planeten. Ich bin nicht stolz, Paonesin zu sein!«
Beran taumelte auf die Beine. Er sah sich aus ihren Augen. Nein, er machte keine gute Figur. Und es gab nichts, was er zu seiner Verteidigung hätte sagen können. Darauf hinzuweisen, daß er nichts von allem gewußt hatte, und daß er selbst jetzt hilflos war, schien ihm unehrenhaft. Er seufzte tief und zog sich an.
Er spürte eine Hand auf seinem Arm. »Verzeih mir. Ich weiß, du meintest es nicht böse.«
Beran schüttelte den Kopf. Er fühlte sich tausend Jahre alt. »Ich meinte es nicht böse, das ist wahr. Aber auch alles andere, was du sagtest, ist wahr ... Es gibt so viele Wahrheiten – wie kann man da sicher sein, die richtige zu wählen?«
»Ich weiß nichts von vielen Wahrheiten«, sagte das Mädchen. »Ich weiß nur, was ich empfinde, und ich weiß, daß ich Bustamonte, den Tyrannen, töten würde, wenn ich dazu in der Lage wäre.«
So früh am Morgen, wie die Sitten Breakness' es gestatteten, begab Beran sich zu Palafoxs Haus und ließ sich von einem der Söhne zu dem Dominie bringen.
»Ich möchte nach Pao zurück«, begann er ohne Umschweife.
Palafox musterte ihn von oben bis unten. »Ich staune über deinen Mangel an Klugheit.«
Aber Beran ließ sich nicht ablenken, wie Palafox auf subtile Art beabsichtigte. »Ich habe über Bustamontes Programm nachgedacht und mache mir Sorgen. Es mag so manchen Vorteil mit sich bringen, aber ich habe das Gefühl, daß etwas Abnormales und Unnatürliches im Spiel ist.«
Palafoxs Lippen wurden schmal. »Gesetzt den Fall, deine Ahnung trügt nicht – was könntest du schon dagegen unternehmen?«
»Bin ich nicht der echte Panarch? Ist Bustamonte nicht lediglich Ayudor-Senior? Wenn ich mich ihm zeige, muß er mir gehorchen.«
»Theoretisch, ja. Aber wie willst du deine Identität beweisen? Angenommen, er behauptet, du wärst ein Schwindler?«
Beran schwieg. Diesen Punkt
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