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Der neue Geist von Pao

Der neue Geist von Pao

Titel: Der neue Geist von Pao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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absolvieren.«
    »Linguisten? Auf Pao? Was ist das wieder für eine Neuerung?«
    Der junge Bursche musterte Beran. »Du sprichst Paonesisch wie ein Einheimischer. Komisch, daß du dann so wenig über die Zustände auf Pao weißt.«
    »Ich bin schon seit achtzehn Jahren auf Breakness. Du bist erst der zweite Paonese, den ich in der ganzen Zeit gesehen habe.«
    »Ich verstehe ... Nun, es hat einige Änderungen gegeben, um es milde auszudrücken. Heute muß man auf Pao schon fünf Sprachen beherrschen, nur um ein Glas Wein bestellen zu können.«
    Der Bursche, mit dem er sich unterhielt, näherte sich dem Registrierpult immer mehr. Beran beobachtete, wie der Name in ein Buch eingetragen wurde. Plötzlich kam ihm eine Idee, die ihm fast die Sprache verschlug. »Wie – wie lange werdet ihr auf Breakness studieren?« stammelte er.
    »Ein Jahr.«
    Beran trat ein paar Schritte zurück. Er mußte es sich gut überlegen. Ja, der Plan schien durchführbar. Außerdem, was hatte er schon zu verlieren? Er warf einen Blick auf seine Kleidung. Wenn er das Hemd aus der Hose trug, sah es gleich paonesischer aus. Hastig zog er es heraus und schloß sich am Ende der Schlange an. Der Bursche vor ihm blickte neugierig zurück, aber er machte keine Bemerkung. Schließlich kam auch Beran an das Registrierpult. Der junge Mann dahinter war ein Institut-Absolvent, etwa fünf Jahre älter als er. Die ihm zugeteilte Aufgabe langweilte ihn offensichtlich. Er blickte kaum auf, als Beran vor dem Pult stehenblieb.
    »Name?« fragte er auf Paonesisch.
    »Ercole Paraio.«
    Der junge Mann studierte die Liste. »Wie wird er geschrieben.«
    Beran buchstabierte den angenommenen Namen.
    »Merkwürdig«, murmelte der Mann und runzelte die Stirn. »Er steht nicht auf der Liste ... Eine Schlamperei! Buchstabiere ihn bitte noch einmal.«
    Beran tat es und der junge Mann trug ihn in das Buch ein. Dann füllte er einen Paß aus und gab ihn Beran. »Hier ist dein Ausweis. Du mußt ihn auf Breakness immer bei dir tragen und ihn wieder abgeben, wenn du nach Pao zurückkehrst.«
    Beran folgte den anderen zum wartenden Wagen und fuhr mit ihnen in seiner neuen Identität als Ercole Paraio zu der Gemeinschaftsunterkunft. Es war ein phantastisches Unterfangen, aber vielleicht hatte er Glück. Die zukünftigen Linguisten hatten keinen Grund, ihn zu denunzieren, außerdem ließ das auch die paonesische Mentalität nicht zu. Und wer würde schon nach Beran, dem vernachlässigten Mündel Lord Palafoxs, fragen? Niemand! Im Institut war jeder Student auf sich selbst gestellt, nur für sich verantwortlich. Als Ercole Paraio würde er bestimmt genügend Freizeit haben, nebenbei auch weiterhin Beran Panaspers Identität aufrechtzuerhalten, bis es eben Zeit war, Beran verschwinden zu lassen.
    Mit den anderen Sprachstudenten von Pao wurde Beran ein Schlafabteil und ein Platz am Mensatisch zugeteilt.
     
    Der Unterricht begann am nächsten Morgen. Ein ehemaliger Student, der das Institut mit Ehren absolviert hatte, namens Finisterle – einer von Palafoxs vielen Söhnen –, hielt die Ansprache. Beran hatte ihn schon öfter gesehen. Er war sehr groß und hager, noch über die Breakness-Norm hinaus, hatte Palafoxs Nase und breite Stirn, aber nachdenkliche braune Augen und eine Haut wie dunkle Eiche, ein Erbstück seiner namenlosen Mutter. Er sprach mit ruhiger, fast sanfter Stimme, und sein Blick wanderte über die vielen neuen Gesichter. Beran fragte sich, ob Finisterle ihn wiedererkennen würde.
    »In gewissem Sinn seid ihr eine Versuchsgruppe«, sagte Finisterle. »Es ist erforderlich, daß viele Paonesen viele Sprachen möglichst schnell lernen. Eine Ausbildung hier auf Breakness soll dazu beitragen. Gewiß beschäftigt euch die Frage: ›Weshalb müssen wir drei neue Sprachen lernen?‹
    In eurem Fall ist die Antwort: ihr werdet das leitende Elitekorps bilden – ihr werdet koordinieren, Anweisungen erteilen und lehren müssen.
    Aber das beantwortet eure Frage natürlich noch nicht ganz. Warum, fragt ihr, muß überhaupt jemand eine neue Sprache lernen? Die Antwort hier ist in der Wissenschaft der dynamischen Linguistik zu finden. Die Grundregeln, die ich euch erläutern werde, müßt ihr, einstweilen zumindest, ohne Widerspruch anerkennen.
    Die Sprache bestimmt das Gedankenmuster, die Sequenz, in der verschiedene Arten von Reaktionen einer Handlung folgen.
    Keine Sprache ist neutral. Alle Sprachen geben dem Massenbewußtsein Impuls, manche nachdrücklicher als andere. Ich

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