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Der neue Geist von Pao

Der neue Geist von Pao

Titel: Der neue Geist von Pao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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wiederhole, wir kennen keine ›neutrale‹ Sprache – und es gibt auch keine ›beste‹ oder ›optimale‹, obgleich Sprache A für den Kontext X besser geeignet sein mag als Sprache B.
    Des weiteren ist festzustellen, daß jede Sprache dem Geist ein bestimmtes Weltbild aufprägt. Was ist das ›wahre‹ Weltbild? Gibt es eine Sprache, in der sich dieses ›wahre‹ Weltbild ausdrücken läßt? Erstens besteht kein Grund anzunehmen, daß ein ›wahres‹ Weltbild, wenn es existierte, ein wünschenswertes oder vorteilhaftes Werkzeug darstellte. Zweitens gibt es keinen Maßstab, um das ›wahre‹ Weltbild zu definieren. Die ›Wahrheit‹ liegt in der Vorstellung desjenigen, der sie zu definieren sucht. Jegliches Ideengefüge setzt eine Rechtsprechung über die Welt voraus.«
    Beran lauschte mit leichtem Staunen. Finisterle sprach auf Paonesisch mit nur einer kaum merklichen Spur des Breaknessischen Stakkatoakzents. Seine Vorstellungen waren viel gemäßigter als alle, von denen Beran bisher im Institut gehört hatte.
    Finisterle beschrieb noch die Routine des Studiums für die Paonesen auf Breakness, und während er sprach, ruhten seine Augen immer häufiger und sehr nachdenklich auf Beran. Beran schluckte schwer.
    Aber als Finisterle geendet hatte, machte er keine Anstalten, sich Beran zu nähern, im Gegenteil, er schien ihn sogar zu ignorieren. Beran hoffte, daß er ihn vielleicht doch nicht erkannt hatte.
     
    Beran bemühte sich, zumindest den äußeren Schein seines früheren Lebens im Institut aufrechtzuerhalten. Er benahm sich während seines Studiums in den Bibliotheken und Hörsälen jetzt immer so auffällig wie nur möglich, damit seine verminderte Aktivität nur ja nicht bemerkt würde.
    Am dritten Tag, als er gerade in die Sprachabteilung der Bibliothek wollte, stieß er fast mit Finisterle zusammen, der eben herauskam. Sie blickten einander an, dann trat Finisterle mit einer höflichen Entschuldigung zur Seite und ging seines Weges. Berans Gesicht lief rot an, und er vergaß in seiner Aufregung, weshalb er eigentlich gekommen war.
    Am nächsten Morgen, wie der Zufall es wollte, war er einer Rezitationsgruppe zugeteilt, die von Finisterle geleitet wurde. Und noch dazu hatte er seinen Platz an dem dunklen Holztisch direkt ihm gegenüber.
    Finisterles Miene war unbewegt, und er war höflich zu Beran wie zu den anderen, aber Beran war sicher, daß Palafoxs Sohn sich insgeheim über ihn amüsierte.
    Beran ertrug die Spannung einfach nicht länger. Nach dem Unterricht wartete er, bis die anderen den Raum verließen. Als auch Finisterle sich zum Gehen anschickte, bat er ihn, noch einen Augenblick zu bleiben. Der Breaknesser hob erstaunt die Brauen. »Du hast eine Frage, Student Paraio?«
    »Mich interessieren Ihre Absichten, was mich betrifft. Weshalb informieren Sie Lord Palafox nicht über mich?«
    »Du meinst die Tatsache, daß du als Beran Panasper am Institut studierst, und als Ercole Paraio Sprachen mit den Paonesen lernst? Was sollte ich beabsichtigen? Weshalb sollte ich es Lord Palafox mitteilen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich frage mich nur, ob Sie es tun werden.«
    »Ich verstehe nicht, wie dein Benehmen meines beeinflussen könnte.«
    »Sie müssen doch wissen, daß ich als Mündel Lord Palafoxs hier bin.«
    »Oh, durchaus. Aber ich habe keinen Auftrag, seine Interessen zu schützen. Selbst«, sagte er mit eigenartiger Betonung, »wenn ich es wollte.«
    Beran blickte ihn überrascht an. Finisterle fuhr fort: »Du bist Paonese, du verstehst uns Breaknesser nicht. Wir sind absolute Individualisten. Jeder von uns hat sein persönliches Ziel. Das paonesische Wort ›Zusammenarbeit‹ gibt es im Breaknessischen nicht. Wie würde ich meine Interessen fördern, wenn ich meinem Erzeuger über dich berichtete? Eine solche Handlung ließe sich nicht wieder rückgängig machen. Ich würde mich ohne bemerkenswerte Vorteile festlegen. Wenn ich schweige, bleiben mir verschiedene Möglichkeiten offen.«
    »Sie – Sie werden mich also nicht melden?« stammelte Beran.
    Finisterle nickte. »Außer, es würde mir in irgendeiner Weise helfen. Doch das kann ich mir im Augenblick nicht vorstellen.«
     

 
12.
     
    Ein Jahr voll Aufregung, inneren Triumphs und heimlicher Hoffnung verging. Ein Jahr, in dem Beran Panasper aufmerksam, wenn auch etwas unregelmäßig die Vorlesungen im Institut besuchte, und Ercole Paraio beachtliche Fortschritte in den drei neuen Sprachen – Couragant, Technikant und Kognitant –

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