Der Neue im Sportinternat
Schnell noch eine Hose, irgendwas Bequemes. Die schlabberige XL-Sporthose ist am besten! Dazu die Sneakers, ohne geht gar nichts! Damit ist Leon startklar. Leise geht er zur Tür. Auf jeden Fall muss er das Zimmer wieder abschließen. Wenn Chocco schläft, hat er was von einem Stein. Unerschütterlich! Jemand könnte ihn mühelos raustragen, ohne dass er aufwacht. Das will Leon keinesfalls riskieren, denn in den letzten Tagen ist es verhäuft zu Diebstählen gekommen. Digitalkameras, Notebooks, Geld, Schmuck; die diebische Elster macht vor nichts halt! Die Klauerei ist mittlerweile Gesprächsthema Nummer eins im Internat und treibt Winkler in die Verzweiflung. Die Eltern der Schüler gehen auf die Barrikaden und drohen mit ernsthaften Konsequenzen. Die Forderungen nach Schadensersatz sind das kleinste Übel für Winkler!
Leon geistert den Gang entlang und huscht zur Bibliothek. Innerlich überflutet ihn der Rausch des Abenteuers! Was halten die Stunden für ihn bereit? Mitternacht ist wie eine Flut in Leons Seele; die Ebbe vom Tag muss nun weichen! Das Aufregende wartet wie ein unentdecktes Land!
In der Bibliothek steht das Fenster offen. Wie Leon es erhofft hat, streunen die Katzen von Drachenfels munter umher. Vorsicht ist vonnöten. Das abenteuerliche Spiel hat längst begonnen! Der Jäger kann schnell zum Gejagten werden. Aber das kennt Leon ja bereits, ist es doch ein Bestandteil der nächtlichen Streifzüge! Der Stuhl steht fein säuberlich platziert unterhalb des Fensters. Bestens! Leon springt auf die Fensterbank. Seine Bewegungen sind geschmeidig und schnell. Jeder Schritt sitzt. Geschwind ist Leon draußen. Er blickt zum Himmel. Tausend Sterne, unzählbar! Hüter der Geheimnisse! Leuchttürme am Firmament, uralte Wegweiser. In der Luft ist der Duft von Rosenblüten. Ein sanfter Wind trägt ihn von den Rosensträuchern an der Schlossmauer her. Für einen kurzen Augenblick schließt Leon die Augen. Alles könnte so schön sein! All diese
Momente, die sich aneinander reihen - leider nicht lückenlos! Das Glück streift Leon immer wieder, nimmt ihn an die Hand und zieht ihn ein Stück weiter. Jedes Mal wenn er glaubt, er könnte es festhalten, lässt es seine Hand los. Meistens mit einem Ätsch! Zumindest fühlt es sich jedes Mal aufs Neue so an.
Leon öffnet die Augen wieder. Das Schloss steht genau vor ihm wie ein großer Riese. Düster. Geheimnisvoll. Einschüchternd. Im Grunde wie sein Vater! Leon sucht die Fenster ab. Alles dunkel! Er greift in die Hosentasche, prüft, ob er auch nicht den Schlüssel für die Kammer vergessen hat. In der Hosentasche ist ein kleines Fach, das einen Klettverschluss hat. Darin liegt der Schlüssel noch vom letzen Mal. Leon kann starten! Als Erstes zieht es ihn zu Mateo. Ob Leon diesmal den Spanner erwischen wird? Der Stuhl vor dem Fenster in der Bibliothek ist der eindeutige Beweis dafür, dass er auch in dieser Nacht seiner Leidenschaft nachgeht!
Wie ein Schatten schleicht Leon durch die Dunkelheit. Jedes Geräusch muss er vermeiden! Bei nahezu jedem Schritt sieht er nach unten, um nicht auf herumliegende Äste zu treten. Ein Knacken wäre nicht nur verräterisch, sondern möglicherweise auch ein Anlass, die Flucht zu ergreifen. Kein Spanner will auf frischer Tat ertappt werden! Das Lichtflackern vom Fernseher ist durch das Gebüsch vorm Fenster bereits zu sehen. Mateo hängt vor der Glotze! Porno oder kein Porno, das ist hier die Frage! Leon wird noch vorsichtiger. Auf gar keinen Fall will er es verkacken. Seine Bewegungen sind minimal. Nur kein Aufsehen erregen! Nur kein Laut! Still!
Im Gebüsch raschelt es. Das ist kein Tier! Der Spanner ist dort irgendwo! Leon atmet durch den Mund. Sein Puls beschleunigt. Er nähert sich dem Gebüsch. Das Überraschungsmoment ist auf seiner Seite! Leon kann ein helles Sweatshirt erkennen. Wie doof! Beim Spannen ein helles Oberteil anzuziehen ist völlig gaga! Leon kann die Rückenpartie des Spanners sehen. Er hat dunkle Haare. Leon nimmt eine geduckte Haltung an, macht den nächsten Schritt und sucht Deckung im Buschwerk. Der Schleier lüftet sich mit einem einzigen Paukenschlag. Bum! Die Identität des Spanners ist aufgedeckt. Leon hört ein imaginäres Ta da!, und der Erdboden unter seinen Füßen tut sich ein kleines Stück auf, wenn auch nicht viel. Sandro! Er ist der Spanner.
Sandro steht am Fenster, glotzt in Mateos Zimmer und hat die Hose - er trägt eine Sporthose mit Gummizug - bis zum Arschansatz runtergezogen. In der
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