Der Neue im Sportinternat
ganzer Kraft entzieht sich Leon dem Duell mit Blicken. Er widmet sich dem Training, krault. Sein Geist ist zu aufgewühlt. Er ist nicht bei der Sache. Er fühlt es regelrecht, wie er angestarrt wird und sie ihn madig machen wollen. Ma vie est un combat!, hört Leon seine Großmutter sagen. Mein Leben ist ein Kampf! Wenn du von dir behauptest, ein Mensch zu sein, dann bedeutet das: Du bist ein Kämpfer! Aber Leon ist nicht nach kämpfen. Nicht mal hier in seiner eigenen Welt, Aquaville - Neptuns Heim ... das nasse Königreich für Nixen und ertrinkende Matrosen, ist er heute frei von all dem Schrott, den er normalerweise beim Training zurücklässt. In dieser Situation schafft er es nicht, sich rigoros abzugrenzen. Dafür ist das, was auf ihn einwirkt, viel zu heftig. Falko gleicht einem riesigen Meteorit, der auf die Erde einschlägt und alles auslöscht.
»Was ist mir dir los?« Adrian wundert sich über Leons Leistung. Er geht zum Beckenrand, beobachtet Leons schwimmerische Aktionen und resümiert: »Scheint heute nicht dein Tag zu sein!«
Leon schwimmt zum Beckenrand, blickt zu Adrian auf und prustet: »Kann nicht abschalten, das blockiert mich! Können wir das Training heute knicken?«
Adrian reicht Leon eine Hand, zieht ihn aus dem Becken. »Was beschäftigt dein Köpfchen denn dermaßen?«
»Alles und nix!«
»Hast du etwa Liebeskummer? Für mich das Allerschlimmste, dann geht gar nichts bei mir!«
»Nee, das is' es nicht. Weiß auch nicht!«
»Solche Tage hat jeder von uns, gehört dazu. Trockne dich ab!« Adrian lächelt und zeigt sich fürsorglich. »Im Herbst finden einige Wettkämpfe statt. Ich möchte, dass du teilnimmst. Was sagst du?«
»Meinetwegen!«
»Ein bisschen mehr Begeisterung, wenn ich bitten darf!« Adrian stellt sich vor Leon, sieht ihm in die Augen. »Du hast das Zeug bis ganz nach oben, Leon! Jedes Mal wenn ich dich im Wasser sehe, sehe ich einen olympischen Medaillengewinner! Der Deutsche Sportbund nimmt dich mit Kusshand. Für den Schwimmverband bist du ein Hauptgewinn! Und jetzt ruh dich aus und krieg den Kopf frei. Morgen ist Konditionstraining angesagt, Hanteln! Das Wochenende hast du für dich, ich streich das Training am Samstag. Okay?«
»Danke!«
Mit der Faust hämmert Adrian vorsichtig gegen Leons Brust und lässt ihn damit wissen: Du bist verdammt gut, Junge! Leon trocknet sich ab und schaut dabei zum Fenster. Falko, Timo und Fynn stehen noch immer wie Wachsfiguren da. Falko wirft Leon einen Kuss zu, züngelt und sagt etwas zu Timo und Fynn, woraufhin sich alle drei in geschlossener Formation entfernen.
Es gibt Stunden, die sich wie Tage anfühlen und voller Dunkelheit sind. Das ist so eine Stunde für Leon!
Unterwegs zum Ausgang trifft Leon auf Sascha, der ihn anstrahlt. Sascha trägt nur eine Badehose und hat ein Handtuch lässig um den Nacken geworfen. Leon gibt sich cool. Sein wahres Befinden hält er verborgen.
»Haust du schon ab? Tu mir das nicht an. Ich wollte mit dir trainieren!« Sascha grinst und fragt: »Wie kann ich dich umstimmen? Womit kann ich dich bestechen, damit du mit mir ins Wasser gehst?«
»Lass mal stecken. Hab genug für heute!«
»Stecken lassen? Yeah! Aber gerne!« Sascha gibt sich vertraut, hat keine Berührungsängste. Er mag Leon, das zeigt er ihm auch. Sascha befeuchtet seine Finger und wischt damit über seine Brustwarze. Das hat was von einer Werbung für eine Sexline, und so ist das auch von Sascha gewollt. »Eigentlich ist mir nach Späßen überhaupt nicht zumute!«, gesteht er schließlich und wirkt mit einem Mal wie der nette Junge von nebenan.
»Was is' denn?«
»Nächste Woche hab ich ein Fernsehinterview. Daran darf ich nicht denken!«
»Wieso? Is' doch voll cool!«
»Scheiße ist das!« Sascha blickt traurig und irgendwie auch wütend. »Ich kann mir wieder so einen gequirlten Dreck ausdenken«, bricht es aus ihm heraus. »Ich hass das! Und Ilja nervt mich schon seit Tagen. Sag das und nicht jenes! Ich hör nichts anderes mehr, als hätte er eine Platte verschluckt. Ich werde mich schon nicht verquatschen. Obwohl... manchmal würde ich gern die Wahrheit sagen, am liebsten vor laufender Kamera und live!«
»Die Wahrheit?« Leon versteht nur Bahnhof.
»Jetzt tu nicht so! Bei mir musst du dich nicht dumm stellen. Dein Trainer verbietet dir doch garantiert auch, über eure Beziehung zu sprechen!«
Leon verschluckt sich beinahe an der eigenen Spucke. »Adrian und ich?« Das muss ein derber Scherz sein! Was hat Sascha
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