Der Neue im Sportinternat
hat, nackt und nach der Selbstbefriedung, ist das noch lange kein Grund für die fixe Idee, dass er Mateo eigentlich sympathisch findet. Eigentlich. Was für eine dusselige Einschränkung! Leon zuckt die Achseln, na ja, nicht wirklich, mehr für sich und eher gedanklich. Wozu noch länger leugnen? Auch wenn Leon Mateo nicht einschätzen kann, findet er ihn nett und irgendwie interessant und auch sexy und anziehend, rein körperlich. Im verruchten Sinne, sexuell unanständig. Selbstverständlich würde Leon das nicht zugeben, weil er Mateo nicht kennt. Aber das lässt sich schnell ändern!
»Hat's dir die Sprache verschlagen?« Mateo spielt auf Leons Wortkargheit an.
»Hab nachgedacht!«
»Worüber?«
»Ich muss los! Training! Ciao!« Noch während Leon den ersten Schritt macht, möchte er sich am liebsten in den Arsch beißen! Weshalb hat er Mateo nicht gefragt. Bist du 'n Rechter? Was ist daran so schwer? Nichts! Aber was wäre, wenn Mateo sich als solcher zu erkennen geben würde? Genau das wollte Leon vermeiden. Vielleicht um sich die Option zu bewahren, noch mal in Mateos Zimmer zu glotzen und nicht dabei kotzen zu müssen!
»Ey!«, brüllt Mateo und schwingt den Besen. »Lass uns mal zusammen schwimmen gehen!«
»Mal sehen!«, erwidert Leon und lässt damit alles offen.
Mateo grinst, schüttelt kurz den Kopf, raucht und fegt weiter. Leon ist beschwingt, kichert in sich hinein. Wie mag Mateo ihn sehen? Ob er auf ihn steht? Oder ist er einfach bloß jemand, der locker drauf ist und kein Problem damit hat, einen Jungen wie Leon zum gemeinsamen Pornoglotzen mit kleiner Wichseinlage zu sich einzuladen? Der Gedanke rockt und haut voll rein. Für Leon ist das wie eine bunte Pille, die er aus einer Laune heraus eingeschmissen hat und die ihm eine andere Welt mit einer ungewohnten Perspektive zeigt. Alles steht Kopf! Alles dreht sich, ohne einen Schwindel zu verursachen. Dennoch sind die Sinne berauscht! Die Füße berühren schon lange nicht mehr den Boden, schwerelos abgehoben! Es existiert keine Erdanziehungskraft, keinerlei Gravitation! Das ist das Erwachen eines Gefühls, eines Instinktes und eines Triebes, sexuell und emotional. Herz und Körper! Es gibt kein Verstecken! Das ist wie ein Ballett der Gestirne, pure Ekstase! Ein Kaleidoskop aus Bildern - schräg, verzerrt, überbelichtet, intensiv, schrill, nackt und geil! Mit einem unbändigen Hunger auf Leben!
Leon betritt den Sportkomplex. Das innere Kichern ist nicht mehr zu hören. Die Beschwingtheit ist verschwunden, hat keinerlei Spur zurückgelassen. Die Erdanziehungskraft macht sich wieder voll bemerkbar! Leon blickt sich um. Niemand ist zu sehen. Er richtet die Augen auf den Umkleideraum mit Gemeinschaftsdusche. Die Vergangenheit wird lebendig, erhebt sich wie ein Geist von einem Grab. Welch widerliche Auferstehung! Dieses Gefühl rüttelt ihn durch. Falko ist allgegenwärtig! Es kostet Überwindung, den Gang in die Schwimmhalle entlangzugehen. Ist Leon allein, fühlt er sich nicht sicher. Was ist, wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird und alles von vorn beginnt für einen kurzen Moment, der sich unendlich anfühlt, und Falko vollenden lässt, was er begonnen hat? Leon fürchtet diesen Moment, der sich wie ein dunkler Schatten auf seine Füße wirft und zu Boden reißt - sollte er jemals wahr werden.
Den Umkleideraum lässt Leon links liegen. Mit seinem Rucksack betritt er die Schwimmhalle. In der Nähe vom Becken sind einfache Holzbänke ohne Lehnen. Seit dem Vorfall in der Dusche zieht Leon sich dort um, wenn er Einzeltraining hat. Er legt den Rucksack auf eine Bank und beginnt langsam sich auszuziehen. Jeden störenden Gedanken, der nur ablenkt, verbannt Leon von sich. Mental bereitet er sich auf sein Training vor. Er will auf Zeit schwimmen und an seiner Schnelligkeit arbeiten. Mit jedem Armzug wird er das Wasser wegdrücken und wie ein Pfeil durchs Becken peitschen, und darin will Leon ein Symbol fürs Freiwerden erkennen und Mut finden.
»Leon!«, dringt eine tiefe Stimme durch die Schwimmhalle.
Leon dreht sich um. Ilja Sawatzki schlendert auf ihn zu. Dabei wirkt er wie ein Bummelzug, der es nicht besonders eilig hat. Leon lässt sich nicht davon abhalten, sich weiter auszuziehen.
»Hallo!« Sawatzki lächelt und reicht Leon die Hand, als er vor ihm steht.
»Hi!«
»Wie geht's?«
»Gut.«
»Ich hab einen Anruf von dir erwartet«, sagt Sawatzki, ohne den Blick von Leon zu nehmen. »Hast du meine Handynummer nicht mehr?«
»Klar, hab
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