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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gleichgültig, ob nun englische oder tibetische. Sie gingen ihre Straße, ohne sich darum zu kümmern. Schließlich war das ihr Leben – gehen, fressen und schlafen.
    Für die beiden Menschen war es nicht viel anders, nur dass sie selbst bestimmen konnten, wann sie rasten, essen oder schlafen und wann sie weiterziehen wollten. Sie mieden die großen Städte, damit Christophers Anwesenheit niemandem auffiel. Der Abt von Gharoling hatte Chindamani einen von ihm gesiegelten Brief mitgegeben, den sie von Zeit zu Zeit vorwiesen, um sich eine Unterkunft zu verschaffen. Meist nächtigten sie in Tasam -Häusern, Karawansereien, wo sie Futter für ihre Tiere und eine Unterkunft für sich selbst finden konnten, oder in kleinen Klöstern, wo Chindamanis Brief viel mehr bewirkte, als ihnen ein Nachtlager zu verschaffen.
    Wohin sie auch kamen, Chindamani wurde überall mitRespekt, ja, mit Ehrerbietung empfangen. Christopher war ein Anhängsel ihrer Heiligkeit als Inkarnation der Göttin Tara. Da sie ihr Leben lang nichts außer Dorje-la gekannt hatte, konnte sie sich nicht bewegen, als sei sie eine gewöhnliche Sterbliche. Nur mit Christopher war sie sie selbst oder zumindest der Teil ihrer selbst, den sie vor anderen verbarg. Nach außen blieb sie stets die Inkarnation.
    Sie zogen in nordöstlicher Richtung, um die Große Mauer an der Grenze zur Inneren Mongolei zu erreichen. Westlich von Shigatse folgten sie zunächst dem Lauf des Tsangpo. Zu ihrer Rechten, zu Füßen des Berges Dromari, lagen die roten Mauern und goldenen Dächer des Klosters Tashilhunpo, des Sitzes des Panchen Lama. Auf Chindamanis Wunsch umgingen sie diesen Ort.
    Sechs Tage später kamen sie durch Yanbanchen, wo die Straße in östlicher Richtung nach Lhasa und zum Potala führt. Am Rande von Yanbanchen hielt sie ein Beamter an und wollte Christopher ausfragen. Aber Chindamani unterbrach ihn scharf. Als sie den Brief des Abtes vorwies, wurde der Mann merklich vorsichtiger. Sie rasteten erst, als Pip und Squeak keinen Schritt mehr gehen konnten und Yanbanchen weit hinter ihnen lag.
    Seit Shigatse kamen sie nur schwer voran. Steile Bergketten, dunkle Schluchten und wilde Gebirgsflüsse versperrten wieder und wieder ihren Weg. Sie passierten zahlreiche Dörfer und Klöster, aber die Berge, die sie überqueren mussten, waren nackt und abweisend, zerklüftet von engen Schluchten, in die kein Sonnenstrahl fiel.
    Für Chindamani erstand die Welt jeden Tag neu. Die einfachsten Dinge bestaunte sie, als seien es Wunder. Und irgendwie waren sie es auch, zumindest für sie. Aus einer Welt von ewigem Schnee und Eis gekommen, erlebte sie nun eine Landschaft, wo Sonne und Schatten über Gras, Felsen undschimmernden Seen komplizierte Spiele aufführten, wo plötzliche Öffnungen in den Bergen Ausblicke in kilometerweite Ebenen boten. Sie hatte noch nie so weit schauen können.
    Auch Männer und Frauen musterte sie, als sähe sie sie zum ersten Mal. So viele Gesichter, so viele unterschiedliche Kleider und so viele Berufe. Sie hätte nie geglaubt, dass es diese bunte Vielfalt gab.
    »Ist es in der ganzen Welt so wie hier, Ka-ris?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Jeder Teil von ihr ist anders. Dies ist nur ein kleiner Teil.«
    Sie machte große Augen.
    »Und wo du herkommst … Ist es da nicht so wie hier?«
    Wieder musste er den Kopf schütteln. Wie sollte er ihr das erklären? Er dachte an die Londoner U-Bahn, die Autos und Eisenbahnzüge, die hohen Schornsteine der Fabriken. An das Gewimmel auf den Straßen und in den Bussen, an die vielen Menschen, die wie Bienen in einem Korb tausend verschiedenen Arten von Honig mit immer weniger Geschmack nachliefen. Von Kirchen, in denen Kriegsfahnen hingen und Grabmäler für tote Soldaten standen. Von vergifteten Flüssen und zerstörten Bergen, von schwarzen Rauchschwaden, die den Himmel verdüsterten. All das musste ihr wie eine schreckliche Art von Wahnsinn vorkommen. Und die tiefergehende Malaise, von der all das ausging, würde sie sicher nicht verstehen. Oder vielleicht doch, so glaubte er, wenn er länger nachdachte.
    »Bei uns gibt es eine Gegend namens Schottland«, sagte er. »Ich bin einmal mit meiner Tante Tabitha in den Ferien dort gewesen. An einem See namens Kyle of Lochalsh. Dort sieht es ähnlich aus wie hier.«
    Sie musste lächeln.
    »Vielleicht gehen wir eines Tages dorthin«, sagte sie.
    »Ja«, erwiderte er. »Vielleicht.«Manchmal verging ein ganzer Tag, an dem sie schweigend dahinritten, jeder in

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