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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kleinen Tempel darauf. Jetzt, da das Eis des Winters schmolz, war sie von aller Welt abgeschnitten. Lange Zeit saß Chindamani wie erstarrt in ihrem Sattel, schaute auf den kleinen Tempel, betrachtete das dunkle Wasser, das gegen die Felsen schlug und lauschte den Wellen nach, die leblos auf dem Strand ausrollten. Eine steife Brise, die plötzlich von den Bergen heranfegte, peitschte die Wellen auf. Wolken zogen sich am Himmel zusammen.
    »Lass uns weiterreiten«, sagte Christopher.
    Aber sie saß immer noch da und blickte bewegungslos auf die Insel. Die Brise fuhr in ihr Haar, stellte es wie eine dunkle Gebetsfahne auf und ließ es wieder sinken. Sie schien das alles nicht zu bemerken. Dann fuhr sie plötzlich zusammen und wandte sich nach ihm um.
    »Hier bin ich schon einmal gewesen«, sagte sie. Wieder schaute sie zu dem Tempel hin. »Und hierher werde ich zurückkehren.«
45
    An diesem Nachmittag stießen sie erneut auf Samjatins Spur. Als sie den See hinter sich gelassen hatten, hielten sie nach Osten auf die große Stadt Sining-fu zu. Trotz des Risikos hatte Christopher beschlossen, dort Proviant zu fassenund einen Führer durch die Gobi zu finden. Alles andere würde Selbstmord bedeuten. Kurz vor dem Hadda-Ulan-Pass stießen sie auf ein kleines Lager schwarzer Yakhaar-Zelte.
    Dort war es merkwürdig still. Keine Hunde stürzten heraus, um sie anzuknurren und nach den Beinen der Ponys zu schnappen, wie es in Nomadenlagern normalerweise geschah. Kein Rauch eines Dungfeuers stieg auf. Keine Kinder lärmten. Nichts bewegte sich. Christopher zog den Revolver aus der Tasche und entsicherte ihn. Banditen waren in dieser Gegend häufig. Banditen und plötzlicher Tod.
    Vor dem ersten Zelt erblickte er eine Leiche, oder was davon geblieben war. Die Geier hatten inzwischen ganze Arbeit geleistet. Nur bleiche Knochen und Stücke zerrissener Kleidung waren noch übrig. In der Nähe lag ein langes, schwarzes Gewehr, wie sie die Tanguten und Mongolen in dieser Region benutzten.
    Ein zweites Skelett hob sich ein paar Meter weiter weiß und nackt von der Erde ab, daneben ein drittes, wahrscheinlich von einem fünf- oder sechsjährigen Kind. Der Wind spielte mit dem Haar auf den Schädeln, ließ es in wilder Bewegung flattern. Eine dünne Staubwolke tanzte verloren zwischen den schweigenden Zelten umher und löste sich auf.
    Plötzlich ertönte in der Stille ein lautes Klatschen. Christopher fuhr herum und sah, wie ein einzelner Geier nur mit Mühe taumelnd aufflog. Er hatte sein Mahl noch nicht beendet. Wie immer gab es auch hier Gäste, die zu spät kamen.
    Sie fanden ein halbes Dutzend Skelette außerhalb der Zelte und etwa zwanzig Leichen darin. Die in den Behausungen lagen, waren noch nicht gefressen worden, und die kalte tibetische Luft hatte ihren Verfall aufgehalten. Es waren meist Leichen von Frauen und Kindern, dazwischen nurwenige Männer. Sofort wurde klar, wie man sie umgebracht hatte – mit einer einzigen Kugel, zumeist in die Stirn oder die Schläfe geschossen. Warum sollten Banditen das getan haben?, fragte sich Christopher. War der chinesische Bürgerkrieg inzwischen bis nach Amdo gelangt?
    Das Mädchen war im vierten Zelt hinter einer großen Truhe versteckt. Sie stießen zufällig auf sie, als Christopher ein Stück Stoff aufheben wollte, um eine der Leichen abzudecken. Sie war zehn oder elf Jahre alt, zitterte vor Hunger, Kälte und Todesangst.
    Da Christopher sah, dass seine Anwesenheit das Kind nur noch mehr ängstigte, ließ er sie mit Chindamani allein und ging aus dem Zelt. Selbst in der klaren Luft hing der Geruch des Todes noch über diesem Ort. Christopher fragte sich, ob er ihn je wieder loswerden würde.
    Hinter den Zelten lagen die Überreste mehrerer Pferde. Sie waren eindeutig gefesselt worden und erst vor ein, zwei Tagen verhungert. Eines lebte noch. Christopher gab ihm den Gnadenschuss. Als das getan war, entfernte er sich für eine Weile von den Zelten. Am Ende des Tals hatte jemand aus flachen Steinen einen Obo errichtet, um die lokalen Götter günstig zu stimmen. Stofffetzen flatterten darüber, von Reisenden gespendet. Schieferstücke mit tibetischen Inschriften hatte man ringsherum gelegt und vier obendrauf wie eine Art Dach angeordnet. Christopher entzifferte die mantrische Formel om mani padme hum , die sich auf den flachen, dunklen Steinen viele Male wiederholte. Am liebsten hätte er den Obo niedergerissen und die Steine in alle Winde verstreut. Was nützten Götter, wenn sie

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