Der neunte Buddha - Thriller
Zölibat. Aber Jebtsumna Chindamani ist keine Nonne. Sie ist nicht durch einen Schwur an die Sangha gebunden. Es ist nur der Brauch, dass die Tara- Trulku in Dorje-la unverheiratet bleibt.«
»Aber ich bin kein …«
»… Gott? Das ist sie auch nicht. Nicht direkt. Ich nehme an, sie hat bereits versucht, Ihnen das zu erklären, aber vergeblich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihre Wahl eines Peelings als Geliebten billigen soll. Das mag unklug gewesen sein. Aber die Göttin Tara lebt in ihr. Und Sie sind der Sohn des Dorje Lama. Ich kann sie nicht kritisieren. Wenn sie Sie erwählt hat, dann hat es die Göttin Tara getan.«
Christopher fragte sich, ob er bei all dem überhaupt eine Rolle spielte. Er kam sich vor wie eine Marionette. Und er wusste genau, wessen Hände die Fäden zogen.
»Gehen Sie jetzt zu ihr«, sagte der Abt, »und sagen Sie ihr, dass ich sie noch einmal sehen möchte. Fragen Sie sie nicht, worüber sie mit mir gesprochen hat. Es gibt Dinge, die sollten Sie besser nicht wissen. Nehmen Sie ihr das nicht übel. Sie haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie sind dafür erwählt worden. Konzentrieren Sie sich darauf.«
43
In der letzten Nacht in Gharoling erschien sie bei ihm in einem chinesischen Kleid aus weißer Seide und kleinen bestickten Schuhen aus indischem Brokat. Sie brachte Tee, Gerstenkekse und Weihrauch mit, der nach Honig, Moschus und wilden Rosen roch. Da saßen sie nun, nippten an ihren winzigen Tässchen, umschwebt von Rauch, der ihnen als schwerer, berauschender Duft in die Nase stieg. Der Geruch erinnerte ihn an seine Kindheit: die Kirche an hohen Festtagen; Frühlingsabende, die von heiligem Duft erfüllt waren; die weißen Hände des Priesters, der Brot in Fleisch und Wein in Blut verwandelte.
Aber hier standen kein Priester, kein Altar und kein dem Leben entsagender Gott zwischen ihm und seinen Gefühlen. Er genoss ihr Haar, ihre Augen und ihre Lippen, das einfache Wunder, dass sie bei ihm war. Er brauchte sie jetzt, und er fragte sich, wie er zuvor ohne sie hatte leben können.
»Lieben Männer Frauen dort, wo du herkommst, Ka-ris?«, fragte sie.
Er lächelte.
»Natürlich. Und Frauen lieben Männer.«
»Heiraten sie?«
»Ja.«
»Den Menschen, den sie lieben?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht immer. Vielleicht sogar ziemlich selten. Sie heiraten wegen Geld oder Land, manchmal auch, um ihren Eltern zu Gefallen zu sein.«
»Kann eine Frau mehr als einen Mann haben?«
Er musste lachen.
»Nein«, sagte er. »Einer ist genug.«
»In Tibet kann eine Frau mehrere Brüder auf einmal heiraten. Wenn der älteste Bruder fort ist, muss sie mit dem nächsten schlafen. Sie ist nie allein.«
»Und wenn sie ihre Männer nicht liebt?«
Sie zuckte die Schultern.
»Vielleicht liebt sie einen. Was ist, wenn eine englische Frau ihren Ehemann nicht liebt? Kann sie sich dann einen anderen suchen?«
»Manchmal. Wenn sie reich ist.«
»Und eine arme Frau?«
»Die muss bei ihrem Mann bleiben.«
»Auch wenn er sie schlägt?«
»Auch wenn er sie schlägt.«
Sie dachte nach.
»Ich denke, die Menschen bei euch können sehr unglücklich sein.«
»Ja«, sagte er. »Manchmal sind sie es wohl.«
Chindamani seufzte.
»Ich verstehe nicht, warum eine so einfache Sache so viel Unglück bringen muss.« Sie überlegte. »Mache ich dich glücklich? Bist du glücklich, wenn du bei mir liegst?«
Er nickte. Sie war so schön.
»Wie sollte ich nicht glücklich sein? Ich wünsche mir nichts anderes.«
»Aber wenn ich dir einmal nicht mehr gefalle?«
»Das wird niemals geschehen.«
»Niemals ist eine sehr lange Zeit.«
»Selbst dann.«
Sie saß da, blickte ihn an, schob mit ihren kleinen weißen Zähnen die Oberlippe hoch und sog die Düfte des Frühlings ein.
»Gefällt dir mein Körper?«, fragte sie. »Ich habe vor dir noch nie mit einem Mann geschlafen. Ich finde alles an dir wundervoll. Aber du kennst andere Frauen. Gefällt dir mein Körper im Bett?«
»Ja«, sagte er. »Sehr.«
Sie erhob sich, knöpfte das weiße Kleid auf und ließ es zu Boden fallen. Sie war nackt. Nur Schwaden von Weihrauch umhüllten sie. Zum ersten Mal sah er sie so. Wenn sie sich bisher auf der Reise geliebt hatten, war das immer im dunklen Zelt geschehen.
»Gefällt dir das?«, fragte sie.
»Ja«, antwortete er. »Ja.«
Später wirkte sie traurig und ein wenig in sich gekehrt. Sie war wieder ernst geworden, so wie sie von dem Gespräch mit dem Abt zurückgekommen war.
Sie stand auf und ging zu
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