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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zu werden. Der gab seine Zustimmung, und Ungern-Sternberg kam zu den Nertschinsker Kosaken unter Wrangel. Aber auch dort scheint er nicht beliebt gewesen zu sein. Soviel wir wissen, hielten die meisten Offiziere Abstand von ihm. Dabei kann Ungern-Sternberg kämpfen, das ist keine Frage. Er erhielt alle Auszeichnungen bis hinauf zum Georgskreuz. Er war so hochdekoriert, dass sie ihn zum Generalmajor befördern mussten. Dann brach die Revolution aus.«
    Winterpole hielt einen Moment inne und leckte sich die Lippen. Gedankenverloren spielten seine Finger mit den Mahjong-Steinen, die noch auf dem Tisch herumlagen. Ersortierte sie in kleine Häufchen zu zwei und drei. Das Geräusch irritierte Christopher.
    »Als Ungern-Sternberg merkte, woher der Wind wehte, verdrückte er sich von der deutschen Front und zog sich nach Transbaikalien zurück, wo er sich dem Ataman Semjonow anschloss. Bald war er dort wieder General und befehligte die Region Daurien.«
    Winterpole blickte jetzt sehr ernst drein. Seine Hände lagen ruhig auf dem Tisch. Das Spiel mit den Steinen hatte aufgehört.
    »Ich bin einmal in Daurien gewesen«, sagte er. »Wussten Sie das?«
    Christopher schüttelte den Kopf. Aber er hatte davon gehört.
    »Das war Anfang 1920. Unsere Truppen hatten Sibirien bereits verlassen. Die Generale der Weißen waren am Ende. Koltschak, Wrangel oder Kornilow – entweder tot oder im Exil. Nur die Japaner standen noch in Wladiwostok. Sie unterstützten Semjonow mit Waffen und Geld und versprachen ihm politische Anerkennung.
    Ich wurde ausgeschickt, um ihn in seinem Hauptquartier in Tschita zu besuchen und herauszufinden, wo er stand. Das war die leichteste Mission meines Lebens. Ich sah sofort, dass Semjonow nur für sich selber sorgte. Ebenso seine Männer.
    Nie habe ich eine brutalere Truppe erlebt. Vielleicht glaubten diese Leute, sie seien bereits tot und brauchten keine menschlichen Regungen mehr. Es wurde gehurt, gespielt und getrunken, aber nicht so, wie es Soldaten im Urlaub oder vor der Schlacht tun, sondern ständig und auf die wildeste Art. Die Offiziere trieben es noch schlimmer als die Soldaten. Barbarischer im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Bier und Schnaps blieb es nicht. Morphium, Kokain oderOpium mussten her. Und das Töten hörte nicht auf. Ich glaube, dass die Drogen sie in diesen Zustand versetzt haben. Es wurde ihnen zur Gewohnheit. Niemand stoppte sie, Strafen hatten sie nicht zu befürchten. Denn das Gesetz waren sie selbst. Sie legten jeden um, der ihnen nicht gefiel. Es spielte keine Rolle. Solange sie nicht gegen die eigenen Leute vorgingen, kümmerte sich niemand darum.«
    Wieder verstummte er, und seine Finger begannen erneut das Spiel mit den Steinen. Erinnerungen übermannten ihn, die wohl noch nicht fern genug waren, um ihren Schrecken verloren zu haben.
    »Wie Sie sicher wissen, fährt der internationale Express von Sibirien nach der Mandschurei durch Transbaikalien. Man schickte mich auf einen Trip längs der Eisenbahnstrecke, um zu sehen, wie Semjonow die Verbindungswege in der von ihm kontrollierten Region offenhielt. Die ganze Gegend war von »Todesstationen« übersät, wie Semjonow sie nannte. Dort wurden Leute wahllos aus den Zügen geholt – Juden, vermutete Bolschewiken, Kommissare oder reiche Kaufleute. Sie verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Wenn nachgefragt wurde, hieß es immer: ›Unterwegs vermisst‹. Und wer fragte damals nach?«
    Er zögerte kurz, fuhr dann aber weiter fort.
    »Einmal …« – hier verdüsterte sich sein Blick –, »einmal habe ich die seltsamste, schrecklichste Sache erlebt, die mir je vorgekommen ist. Ich stieß auf eine endlose Reihe von Zügen, die auf den Schienen festsaßen. Meilenweit nur Waggons und Lokomotiven, alle unbeweglich wie eine gigantische Schlange. Ein Seeungeheuer, groß genug, um eine ganze Flotte zu verschlingen.
    Der vordersten Lok waren Brennmaterial und Wasser ausgegangen. Sie blieb stehen, bis sie an den Schienen festfror. Die Kälte verschweißte die Metallteile förmlich miteinander.Der zweite Zug, der folgte, versuchte, den ersten weiterzuschieben. Aber vergeblich. Auch er fror fest. Die ganze Zeit informierte niemand darüber, was dort vorging. Daher wurden weiter Züge geschickt. Zug auf Zug.
    Wir gingen näher heran. Es war bitterkalt. Die Wagen waren mit Reif überzogen. Drinnen lagen zahllose Leichen von Passagieren, die hier erfroren waren. Aus Furcht vor der Kälte hatten sie ihre Abteile nicht verlassen, wussten nicht, was

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