Der neunte Buddha - Thriller
Spieler standen, ordentlich aufgereiht, kleine Elfenbein-Steine – Windsteine, Drachensteine, Blumensteine, Steine mit Schriftzeichen. Andere Männer rauchten Opium aus langen Pfeifen mit kleinen Köpfen aus altem Silber. Die braune Masse schmolz und schlug Blasen, wenn sie sie mit glühender Kohle aus langen Eisenbecken anzündeten. Sie schauten auf, als die beiden Fremden eintraten, und beäugten sie mit misstrauischen Blicken.
Winterpole genügte eine Minute, um sie alle aus dem Raum werfen zu lassen. Er führte einen Brief mit dem Siegel von Ma Qi, dem Daotai von Sining-fu, mit sich, einem Hui-Moslem,dessen Cousin, der Warlord Ma Hongkui, zur Zeit die Provinz Gansu beherrschte. Christopher wusste, dass Winterpole seinen Einfluss durchaus nutzen konnte, um einen Mann auspeitschen, foltern oder gar enthaupten zu lassen, wenn es seinen Zwecken diente. Diese Maßnahme passte ins Bild.
»Ich weiß, dass Sie Samjatin gefunden haben«, hub Winterpole an, als sich die Tür hinter den vertriebenen Gästen geschlossen hatte. »Ich weiß auch von dem tibetischen Jungen, den er nach Urga zu bringen versucht.«
»Von dem wussten Sie bereits, bevor Sie mich losgeschickt haben, stimmt’s?«, stellte Christopher fest.
Winterpole nickte.
»Nicht alles. Aber einiges schon. Wir mussten sichergehen, denn unsere Quellen waren nicht verlässlich. Wir dachten, es wäre ein Fehler, Ihnen zu viel zu sagen. Sie hätten dann vielleicht nach den falschen Dingen gesucht.
Natürlich hätten wir auf die Berichte hin, die uns zugingen, nicht allzu viel unternommen, wenn nicht Samjatin Ihren Jungen hätte entführen lassen. Ich verstehe den eigentlichen Zweck der ganzen Aktion bis heute nicht. Haben Sie etwas darüber erfahren können?«
Christopher starrte ihn an. Er fragte nicht: Haben Sie Ihren Sohn gefunden? Nicht: Geht es ihm gut? Sondern: Haben Sie etwas darüber erfahren können? Informationen – das war alles, was Winterpole interessierte. Den Rest hielt er für überflüssig.
»Ja«, antwortete Christopher. »Ich habe etwas erfahren.« Aber wie sollte er das einem Mann wie Winterpole erklären.
»Also? Was hat er vor? Wie ist Ihr Junge in seine Pläne geraten?«
»Als Faustpfand – das ist alles, was Sie wissen müssen. Williamwar Teil eines Deals, den Samjatin geschlossen hat. Was er wirklich wollte, war der tibetische Junge. Er heißt Samdup. Dorje Samdup Rinpoche.«
»Und wer ist das genau? Eine Art Inkarnation? Ist Samjatin deshalb so hinter ihm her?«
»Ja. Der Junge ist der Maidari Buddha. Das heißt, er kann anstelle des gegenwärtigen Hutuktu zum Herrscher über die Mongolei ausgerufen werden. Deswegen reist Samjatin dorthin. Um den Jungen zu einem Gott zu machen.«
Winterpole schwieg. Er schien abzuwägen, was Christopher ihm da gesagt hatte und wie es in seine eigenen Pläne passte.
»So ist das also«, sagte er schließlich. »Jetzt wird die Sache klar. Nun müssen wir nur noch Samjatin finden.«
»Das ist leichter gesagt als getan. Ich habe die drei – Samjatin, William und Samdup – wieder verloren. Sie sind jetzt auf dem Weg nach Urga. Bevor sie noch jemand einholen kann, wird Samjatin Samdup von roten Soldaten umstellt und selbst ein gutes Ticket für die Krönungszeremonie in der Tasche haben.«
»Darauf würde ich nicht wetten.«
»Nein? Hören Sie zu. Ich habe sie alle drei am Hadda-Ulan verloren. Vor etwa drei Tagen hatte Samjatin ein Treffen mit jemandem in Gandschou. Jetzt muss er auf dem Weg nach Urga sein. Oder …« Er zögerte.
»Ja?«, drängte ihn Winterpole.
»Oder nach Moskau.«
»Nicht unbedingt«, sagte Winterpole. »Von Samjatins Treffen habe ich schon gehört. Er hat Kontakt mit einem Mann namens Udinski aufgenommen, einem Russen und Bolschewiken, der bis vor kurzem als Pelz- und Wollhändler in Urga tätig war. Er hat dort für ein dänisch-amerikanisches Unternehmen namens Anderson and Myer gearbeitet.Udinski hat in Gandschou über einen Monat lang auf Samjatin gewartet. Er soll Samjatin nach Urga bringen. Er hat einen starken LKW, der in wenigen Tagen die Gobi durchqueren kann. Sie müssten also jetzt bald in Urga sein, denke ich. Oder zumindest …«
Winterpole stockte, als ob die Quelle seiner Allwissenheit plötzlich versiegt wäre.
»Zumindest?«, wiederholte Christopher.
»Er wird sich vielleicht nicht sofort in die Stadt begeben. In der Mongolei hat sich einiges geändert, seit diese Aktion gestartet wurde. Die Chinesen sind inzwischen wieder vertrieben. Der
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