Der neutrale Planet
Uhr abends. Dr. Peter Mookherji schleppte sich mit rotgeränderten Augen und verkrampft durch seine neuropathologischen Aufgaben. Die Station war voll: ein schizoider Zusammenbruch, eine katatonische Erstarrung, Satina in ihrem Koma, zwei Paralysen, ein Fall von Aphasie, und noch manches mehr, genug, um ihn sechzehn Stunden am Tag in Atem zu halten und seine telepathischen Kräfte zu beanspruchen, nicht zu reden von seinen sonstigen ärztlichen Fähigkeiten. Eines Tages würde er seine Zeit in der Klinik abgedient haben und auf irgendeiner schönen tropischen Insel eine Privatpraxis aufmachen, an den Wochenenden nach Bombay fliegen, um seine Familie zu sehen, und seine Ferien auf den Planeten ferner Sterne verbringen, wie jeder andere wohlhabende Facharzt… Eines Tages. Er versuchte, solche Gedankenspielereien wegzuschieben. Wenn du dich auf etwas freuen willst, dann auf Mitternacht, sagte er sich. Auf den Schlaf. Auf herrlichen, tiefen Schlaf. Und am Morgen geht alles wieder von vorne an, Satina und das Koma, der Schizoide, der Katatoniker, der Fall von Aphasie…
Als er in den Flur hinaustrat, von einem Patienten zum nächsten unterwegs, sagte sein Kommunikator: »Doktor Mookherji, bitte melden Sie sich sofort in Dr. Baileys Büro.«
Bailey? Der Chef der neuropathologischen Abteilung, so spät noch am Schreibtisch? Was hieß das? Aber eine solche Aufforderung durfte natürlich nicht unbeachtet gelassen werden. Mookherji verständigte das Kontrollzentrum, daß er seine Runde unterbrechen mußte, und ging schnell den Korridor entlang zu der Milchglastür mit der Aufschrift ›Samuel F. Bailey‹.
Mindestens die Hälfte des neuropathologischen Personals war schon versammelt, vier von den Oberärzten, die meisten Assistenten, sogar ein paar von den Chefärzten. Bailey, ein blonder Mittfünfziger mit dicklichem Gesicht, blätterte in Datenunterlagen und machte ein finsteres Gesicht. Er nickte Mookherji zur Begrüßung kurz zu. Sie hatten nicht das beste Verhältnis; Bailey, in seiner Einstellung eher von der alten Schule, hatte das Aufkommen der Telepathie als Mittel bei der Behandlung geistiger Störungen nur mit Widerwillen hingenommen.
»Wie ich eben sagte«, begann Bailey, »haben sich die Berichte den ganzen Tag angesammelt, und sie sind mir zugeleitet worden, weiß der Teufel, weshalb. Hören Sie zu: zwei Herzpatienten, die ruhiggestellt sind, erleiden plötzlich einen Schock, den ein Arzt als sensorische Uberbelastung bezeichnet. Der eine reagiert mit Herzstillstand, der andere mit Gehirnblutung. Beide sterben. Ein Patient, der zur Endokrin-Restabilisierung hier ist, erleidet im Schlaf einen starken Adrenalinausstoß und wird um sechs Monate zurückgeworfen. Ein Patient fängt während seiner Gehirnoperation an, auf dem Operationstisch herumzuspringen, und wird von den Lasern übel zugerichtet. Et cetera. Ernste Probleme dieser Art heute in der ganzen Klinik. Die Computerprüfung der allgemeinen EEG-Strukturen zeigt, daß abgesehen von den schon erwähnten, vierzehn weitere Patienten ausgesprochen schwere Alptraumepisoden in den letzten elf Stunden durchgemacht haben, fast alle von solcher Auswirkung, daß die Patienten gewisse psychische Schäden davongetragen haben, oft auch körperliche. Das Kontrollzentrum meldet keine Krankengeschichten mit früheren Epidemien schlechter Träume. Es besteht kein Anlaß, eine ausgedehnte Diätstörung oder etwas Ähnliches anzunehmen. Trotzdem leiden schlafende Patienten weiterhin, und diejenigen, deren Zustand besonders kritisch ist, können schweren Risiken ausgesetzt sein. Ab sofort ist die Ruhigstellung schwerkranker Patienten unterbrochen worden, wo das möglich war, und die Schlafzeiten für andere Patienten wurden geändert, aber das alles wird gewiß nicht viel nützen, wenn das morgen noch anhält.« Bailey machte eine Pause, sah sich im Zimmer um und richtete den Blick auf Mookherji. »Das Zentrum hat eine Hypothese vorgebracht: Im Krankenhaus treibe sich eine psychopathische Person mit starken telepathischen Kräften herum, die sich auf die schlafenden Patienten stürzt und ihnen Bilder übermittelt, die in der Form schrecklicher Alpträume auftreten. Mookherji, was halten Sie von dieser Idee?«
»Sie ist durchaus denkbar«, sagte Mookherji, »obwohl ich mir nicht vorstellen kann, weshalb ein Telepath herumlaufen und Alpträume erzeugen sollte. Hat das Zentrum diese Dinge mit dem Vorfall im Quarantäne-Haus in Verbindung gebracht?«
Bailey blickte auf die
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