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Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und Knochen nicht zu durchschneiden, um den Tumor bloßzulegen, denn die Laserstrahlen, die auf ein Fünfzigtausendstel Millimeter eingestellt waren, würden durch winzigste Öffnungen eindringen, den Tumor von verschiedenen Seiten her erreichen und die bösartige Geschwulst zerstören, ohne das gesunde Gehirngewebe ringsum zu schädigen. Bei einer Operation wie dieser war Planung alles.
    Sobald die genauen Umrisse des Tumors gemessen und die Chirurgie-Laser im richtigen Winkel angeordnet waren, konnte jeder Assistenzarzt den Rest bewältigen.
    Für Dr. Hammond war es ein Routinefall. Er hatte allein im zurückliegenden Jahr hundert Eingriffe dieser Art durchgeführt. Er gab das Signal; die Warnlampe an der Laser-Schalttafel leuchtete auf; die Studenten beugten sich erwartungsvoll vor – Und gerade in dem Augenblick, als das funkelnde Feuer der Laser zum Operationstisch schoß, verzerrte sich das Gesicht des narkotisierten Patienten auf unheimliche Weise, so, als sei ein entsetzlicher Traum aus den Tiefen seines Unterbewußtseins emporgestiegen. Seine Nasenflügel blähten sich; die Lippen dehnten sich, die Augen wurden weit aufgerissen; er schien schreien zu wollen; er bewegte sich krampfhaft und drehte den Kopf. Die Laserstrahlen drangen tief in die linke Schläfe des Patienten, weitab von der Tumorzone. Seine rechte Gesichtshälfte erschlaffte. Alle Muskeln dort waren gelähmt. Die Medizinstudenten starrten einander verwirrt an. Dr. Hammond behielt trotz seiner Betäubung soviel Geistesgegenwart, daß er mit einer blitzschnellen Bewegung die Laser abschaltete. Er umklammerte in seiner Erregung den Operationstisch mit beiden Händen und starrte auf die Skalen und Meßgeräte, die ihm die Einzelheiten der verpfuschten Operation verrieten. Der Tumor war unverletzt; ein großer Bereich des Patientengehirns war verwüstet.
    »Unmöglich«, murmelte Hammond. Was konnte einen Patienten in Narkose dazu veranlassen, sich so heftig zu bewegen. »Unmöglich. Unmöglich.« Er ging zur Lebenserhaltungskammer und las die Werte ab. Die Frage war nicht mehr, ob der Gehirntumor erfolgreich entfernt werden konnte, sondern im Augenblick nur noch, ob der Patient überleben würde.
    Bis vier Uhr nachmittags hatte Mookherji fast alle Arbeiten bewältigt. Er war bei allen Patienten gewesen; er hatte seine Kurven auf den neuesten Stand gebracht; er hatte dem Zentralcomputer einen Prognoseabriß eingefüttert; er hatte sogar Zeit für ein schnell hinuntergeschlungenes Mittagessen gefunden. Normalerweise hätte er nun die nächsten vier Stunden freigenommen, in seinem spartanischen Zimmer am Rande des Gebäudekomplexes ein bißchen geschlafen oder im Erholungszentrum etwas Schwebetennis gespielt, sich die neueste Würfel-Schau angesehen, oder was auch immer. Die nächste Visite war erst für acht Uhr abends vorgesehen. Er konnte sich jedoch nicht entspannen; die Sache mit den Raumfahrern in Quarantäne ließ ihm keine Ruhe. Nakadai hatte seit zwei Uhr Untersuchungsergebnisse übermittelt, die nun in Mookherjis Datenterminal warteten. Da keines den Vermerk ›Dringend‹ trug, hatte Mookherji sie sich ansammeln lassen, aber nun glaubte er, einen Blick darauf werfen zu müssen. Er drückte die Tasten des Terminals für die Wiedergabe, und Nakadais Ergebnis schob sich heraus.
    Mookherji blätterte in den gelben Seiten. Reflexe, Synapsenladung, Grad der Neuralionisierung, Endokringleichgewicht, Sehreaktion, Atmung und Kreislauf, Molekularaustausch im Gehirn, EEG… Nein, nichts Ungewöhnliches dabei. Nach den Untersuchungsergebnissen war klar, daß die sechs Männer, die Nortons Stern besucht hatten, dringend Urlaub brauchten – strapazierte Nerven, unklare Reflexe – aber es gab keinen Hinweis für etwas Ernsteres als chronischen Schlafmangel. Er fand keine Anzeichen für Gehirnläsionen, Infektion, Nervenschädigung oder andere organische Schäden.
    Woher also die Alpträume?
    Er tippte die Rufnummer von Nakadais Büro.
    »Quarantäne«, sagte eine knappe Stimme sofort, und Augenblicke danach erschien Nakadais Gesicht auf dem Bildschirm.
    »Hallo, Pete, ich wollte dich eben anrufen.«
    »Ich bin gerade erst fertig geworden, habe mir aber die Ergebnisse von dir angesehen. Lee, ich habe nichts Außergewöhnliches gefunden.«
    »Wie ich mir dachte.«
    »Und die Männer? Du solltest mich anrufen, wenn einer von ihnen Alpträume bekommt.«
    »Das war bei keinem der Fall. Falkirk und Rodriguez schlafen seit elf Uhr wie die Murmeltiere. Schmidt

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