Der neutrale Planet
wahr?« Das Mädchen setzte sich auf und lachte. »Sie sind jünger, als ich dachte. Und so ernst. Und Ihre Hautfarbe finde ich herrlich. Ich – «
»Du bist wach?«
»Ich hatte einen schlimmen Traum«, sagte sie. »Oder vielleicht einen schlimmen Traum in einem schlimmen Traum – ich weiß es nicht. Was es auch gewesen sein mag, es war furchtbar, aber als es aufhörte, fühlte ich mich so unendlich viel wohler – ich hatte einfach das Gefühl, wenn ich weiterschliefe, würde ich viele schöne Dinge versäumen. Ich mußte einfach aufstehen und sehen, was in der Welt geschieht – verstehen Sie das, Doktor?«
Mookherji bemerkte, daß seine Knie zitterten.
»Schocktherapie«, murmelte er. »Wir haben sie aus dem Koma gesprengt – ohne überhaupt zu wissen, was wir taten.« Er ging auf das Bett zu. »Hör zu, Satina, ich bin seit ungefähr tausend Jahren wach und werde gleich umkippen. Und ich habe hunderttausend Dinge mit dir zu besprechen, nur nicht jetzt. Okay? Nicht jetzt. Ich schicke dir Doktor Bailey – das ist mein Chef –, und wenn ich geschlafen habe, komme ich wieder, dann bereden wir alles, ja? Sagen wir, heute abend gegen fünf oder sechs Uhr. Einverstanden?«
»Natürlich bin ich einverstanden«, sagte Satina lächelnd. »Wenn Sie glauben, daß Sie wirklich gehen müssen, gerade, wenn ich – sicher. Gehen Sie. Gehen Sie nur. Sie sehen schrecklich müde aus, Doktor.«
Mookherji warf ihr ein Kußhändchen zu, dann nahm er Nakadai beim Arm und ging zur Tür. Im Flur sagte er: »Bring sofort den Vsiir in dein Quarantäne-Haus und versuch, ihn in eine Atmosphäre zu stecken, wo er sich wohlfühlt. Und sorg dafür, daß er heimgebracht wird. Ich rede inzwischen mit Bailey – und dann falle ich um.«
Nakadai nickte.
»Ruh du dich aus, Pete. Ich erledige alles.«
Mookherji schlurfte langsam zu Dr. Baileys Büro, dachte an das Lächeln auf Satinas Gesicht, dachte an den traurigen, kleinen Vsiir, dachte an Alpträume – »Angenehme Träume, Pete«, rief Nakadai.
Schmerzhafte Wiedergeburt
Hinter den tröstlichen Mauern der Zentrale von Terra Import auf Kollidor beschäftigte sich Commander Leon Warshow nervös mit den Psychoberichten auf seinem spiegelglatten Schreibtisch. Commander Warshow dachte über Raumfahrer Matthew Falk nach, und über sich selbst. Commander Warshow war im Begriff, ganz berechenbar zu reagieren.
Personalleutnant Krisch hatte ihm die Geschichte von Falk vor einer Stunde mitgeteilt, und Warshow tat das, was man von ihm erwartete. Er wartete auf den Jungen, nachdem er ihn im Anschluß an eine hastige Besprechung mit Cullinan, dem düsteren Psycho-Offizier der ›Magyar‹, zu sich bestellt hatte.
Eine Ordonnanzstimme tönte aus dem Wechselsprechgerät: »Raumfahrer Falk ist hier, Sir.«
»Er soll ein paar Minuten warten«, sagte Warshow zu hastig. »Ich lasse ihn rufen.«
Eine taktische Verzögerung. Warshow fragte sich, warum er, ein Offizier, vor einem Gespräch mit einem Mannschaftsdienstgrad so verkrampft war, und blätterte die Unterlagen über Matt Falk durch.
›Vollwaise 2543… Akademie… zwei Jahre Kommerzdienst, Militärvertrag… Verletzung auf dem Weg nach Kollidor…‹
Beigefügt waren ausführliche medizinische Berichte über Falks Verletzung, und Dr. Sigstroms Bestätigung. Dazu eine sehr positive Disziplinarliste und ein guter Psycho-Umriß.
Warshow drückte auf die Taste.
»Schicken Sie Falk herein«, sagte er.
Der Photonenstrahl klickte, und die Tür ging auf. Matt Falk kam herein und starrte seinen Vorgesetzten mit steinernem Gesicht an; Warshow funkelte zurück und betrachtete den jungen Mann, als habe er ihn nie zuvor gesehen. Falk war gerade fünfundzwanzig, sehr hochgewachsen und hellblond, mit breiten, muskulösen Schultern und scharfen, blauen Augen. Die Narbe an der linken Gesichtshälfte war fast unsichtbar, aber nicht einmal chemotherapeutische Inkubation hatte die glatte Gleichmäßigkeit der Kieferpartie wiederherstellen können. Falks Gesicht wirkte sonderbar schief; die unverletzte rechte Kieferhälfte zog sich glatt und fest zum Kondylus, während die linke noch unbestimmbare, aber deutlich vorhandene Spuren des schrecklichen Schiffsunfalls verriet.
»Sie brauchen mich, Commander?«
»Wir verlassen Kollidor morgen, Matt«, sagte Warshow leise. »Leutnant Krisch sagte mir, daß Sie nicht ins Schiff zurückgekommen sind, um Ihre Sachen zu packen. Warum nicht?«
Das Kinn, das demoliert und wieder aufgebaut worden war, zitterte ein
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