Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
alles so genau weiß, aber plötzlich piept das Handy wieder. Jed liest vor: »Katedrale ETA 5 min.«
»Was heißt ETA?«, frage ich.
»So viel wie ›geschätzte Ankunftszeit‹. Du musst unbedingt mehr fernsehen«, sagt Jed.
Wir starren beide auf das Handy.
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagt Jed.
»Wir bekommen jede Menge Ärger, wenn es nicht stimmt«, gebe ich zu bedenken.
»Und wenn es stimmt?«
Jed tippt bereits die Notrufnummer in sein Handy, und er sieht nicht mehr fasziniert aus. Er wirkt genauso ängstlich, wie ich mich fühle, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass er so viel tapferer ist als ich. Vielleicht kommt das daher, dass er einen Vater hat? Oder davon, dass er seine Mutter verloren hat?
Zuerst scheint die Polizei ihm nicht zu glauben, doch als Jed erklärt, dass wir neben den Sanders wohnen und dass der mögliche Selbstmordattentäter Shakeel Muhammed ist, Bruder des festgenommenen Mik Muhammed, nimmt man ihn offenbar ernster.
»Die Polizei schickt sofort einen Beamten vorbei«, sagt Jed, das Handy noch immer am Ohr. »Ich muss dranbleiben, bis er da ist.«
Wir warten und sehen uns dabei an. Wir sind uns im Klaren, was für eine große Sache wir losgetreten haben, und ich weiß nicht, was schlimmer wäre: wenn sich herausstellt, dass wir recht haben, oder wenn nicht.
»Jed«, sage ich, »hast du gesehen, wie die Biker Mik verprügelt haben?«
»Ja«, antwortet er, und diesmal wendet er den Blick nicht ab.
»Wie haben sie ihm seine Pistole abgenommen?«
Jed antwortet nichts.
In dem Moment hören wir Stimmen und wenden uns dem Fenster zu. Aus dem Haus der Sanders kommt ein Polizist; Mr. und Mrs. Sanders sind zur Kirche gefahren, und niemand ist zu Hause. Der Polizist spricht über Funk mit jemandem, während er die Straße überquert.
»Wir sagen den Alten lieber, was hier läuft«, sagt Jed. »Sonst kriegen die noch einen Herzanfall.«
Die Wohnzimmertür steht halb offen, und wir sehen Oma und Opa in ihren Lieblingssesseln. Sie schauen den Nachrichtenkanal, der live von der Kathedrale sendet.
»Wer soll es ihnen sagen?«, flüstere ich.
»Besser du«, erwidert Jed. »Dich mögen sie lieber als mich.«
»Nein, das stimmt nicht«, entgegne ich. Mir kommt es komisch vor, über so etwas zu reden, besonders jetzt.
»Klar tun sie das – dein Dad war ihr Liebling, und du bist es auch.«
»Das ist nicht wahr.«
»Doch«, sagt Jed nüchtern. »Also, tun wir’s, oder nicht?«
»Okay, ich mach’s.«
Jed nickt, und ich öffne die Tür ganz. »Oma, da kommt ein Polizist, um mit uns zu reden«, sage ich schnell, ehe sie überhaupt den Kopf zu mir drehen kann.
»Warum um alles in der Welt kommt er denn ausgerechnet jetzt?«, fragt sie mit erschrockenem Gesicht.
Der Fernsehmoderator sagt: »Wir übertragen live von der Sankt-Philips-Kathedrale in Birmingham, wo ein Gottesdienst für die Familie Sanders abgehalten wird, die noch immer auf Neuigkeiten über ihre vermisste Tochter Stevie hoffen. Bei ihnen sind Freunde, Verwandte und Sympathisanten, die für Stevies sichere Heimkehr beten möchten.«
Ehe ich etwas erklären kann, klingelt es an der Tür, und auf der Terrasse steht der Polizist.
»Jemand hat angerufen, um eine Bombendrohung zu melden?«, fragt er.
Oma sieht ihn verdutzt an.
»Das war ich«, sagt Jed und tritt vor.
»Wir beide«, füge ich hinzu und stelle mich neben ihn. Denn wir hängen da beide mit drin.
Wir zeigen dem Polizisten Pritis SMS , und dann stellt er uns jede Menge Fragen zu unseren Ermittlungen gegen Shakeel.Wir erzählen ihm alles über die Radioteile und die Terrorzellenlisten und den Sprengstoffgürtel und alles, was wir mit angehört haben. Als der Polizist sagt, er sei sich nicht sicher, ob das ausreiche, erwidert Jed, dass Priti Sprengstoff gesehen haben müsse, weil sie sonst keine SMS gesendet hätte.
»Kannst du ihr eine SMS schreiben und sie bitten, das zu bestätigen?«, fragt der Polizist sarkastisch.
»Sie wollen, dass ich einer Elf jährigen in einer Terrorsituation eine SMS schicke und den Attentäter darauf aufmerksam mache, dass wir ihm auf der Spur sind?«, entgegnet Jed. »Ja, das ist echt ’ne tolle Idee, Kumpel!«
»Niemand möchte mit einem Fehlalarm Panik auslösen, Kleiner !«, erwidert der Polizist gereizt.
»Also wäre Ihnen ein Nine-Eleven in den Midlands lieber?«, will Opa wissen. Jetzt, wo er weiß, was los ist, ist er hellwach und genießt augenscheinlich jede einzelne Sekunde.
»Selbstverständlich
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