Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
scharf auf sie!«, erwidere ich.
» Und sie ist eine Terroristin«, sagt Jed.
»Ist sie nicht!«
»Nimm sie bloß nicht in Schutz, nur weil du willst, dass sie deine Freundin wird. Woher kennt sie sich sonst so gut mit Sprengstoff aus?«
»Das war doch nur Spaß!«
»Du hast gehört, was sie von diesem richtig großen Knall erzählt hat!«, beharrt Jed.
»Ich nehme an, sie ist die Chemikerin der Gruppe«, sagt Priti. »Jede Terrorzelle hat einen Chemiker. Shakeel stellt die Zünder her, Ameenah kocht den Sprengstoff.«
»Genau«, sagt Jed. »Wahrscheinlich sind sie gar nicht verlobt. Sie tun nur so, damit sie gemeinsam operieren können, ohne dass jemand misstrauisch wird.«
»Also hast du vielleicht noch Chancen, Ben!«, sagt Priti.
»Haltet den Mund«, sage ich, mehr fällt mir nicht ein.
23. Juli
»Ich habe so eine Website namens Tuesday’s Children gefunden«, verkündet Priti, als Jed mit Oma zu einem seiner streng geheimen Termine unterwegs ist. »Sie richtet sich an Nine-Eleven-Kinder wie dich.«
»Und?«, erwidere ich. Ich sitze mit meinem Skizzenbuch auf dem Boden unseres Zimmers und zeichne Prinzessinnen mit riesigen Flauschpantoffeln auf fliegenden Teppichen. Ich habe Priti zwei Tage lang nicht gesehen, weil sie sich mit ihrer Mum und Ameenah um die Hochzeitsvorbereitungen gekümmert hat. Selbst Jed sagt, dass es ohne sie ein bisschen langweilig ist.
»Da gibt es haufenweise interessantes Zeug«, sagt sie. »Da ist sogar ein Chatroom, wo du Kontakt zu anderen hinterbliebenen Kindern aufnehmen kannst.«
»Hör auf, mich so zu nennen, ja?«
»Gut, dann nenne ich dich ein Nine-Eleven-Waisenkind.«
»Wie kann ich ein Waisenkind sein? Meine Mum lebt noch!«
»Wenn du meinst.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen, dass sogar Jed mehr über seine Mum redet als du.«
»Nur weil ich nicht über sie rede, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht existiert«, sage ich und lege meinen Bleistift hin.
»Wenn du meinst.«
»Meiner Mum geht es schon bald wieder besser, und dann holt sie mich hier ab«, fahre ich wütend fort. »Also bin ich kein Waisenkind.«
»Hör mal, ich wollte eigentlich nur sagen, dass es jede Menge anderer Kinder gibt, die solche Nine-Eleven-Probleme haben wie du und die ganz wild darauf sind, mit dir online zu chatten.«
»Und wenn ich das nicht will?« Ich nehme meinen Bleistift wieder in die Hand und versuche weiter Prinzessinnen zu zeichnen, aber irgendwie geht es nicht mehr.
»Aber sicher möchtest du das. Dein Schmerz lässt es nur nicht zu«, sagt Priti.
»Ich sagte doch schon, ich empfinde keinen Schmerz!«, sage ich und kritzele reihenweise Dreiecke.
»Vielleicht empfindest du einfach Wut oder Angst oder Hoffnungslosigkeit. Das sind alles Formen des Schmerzes«, sagt Priti mit gelehrsamer Miene. Ich stelle sie mir mit einer riesigen Brille und einem weißen Arztkittel vor, der ihr mehrere Nummern zu groß ist.
»Hast du die Website auswendig gelernt?« Ich zeichne ein großes Quadrat, dann ein kleineres darin, und darin ein noch kleineres: Kisten innerhalb von Kisten.
»Ich glaube, ich wäre eine gute Therapeutin oder so. Ich bringe dich dazu, über deinen uneingestandenen Schmerz zu sprechen.«
»Musst du nicht auch meine … äh, meine Privatsphäre achten und so?«, frage ich. Meine Kisten werden immer kleiner.
»Wenn es im Interesse des Patienten ist, muss man zu seinem Besten manchmal grausam sein.«
»Das hast du dir gerade ausgedacht«, entgegne ich, gebe das Kistenmalen auf und versuche, Dr. Priti zu zeichnen.
»Vielleicht, aber ich finde trotzdem, du solltest mit diesen anderen Kindern Kontakt aufnehmen. Sie gehen zusammen in Ferienlager und sprechen über ihre Gefühle und bauen Schulenfür arme Kinder auf Costa Rica, und sie machen Kunst- und Musiktherapie, und sie meditieren und all so was.«
»Na, und ich will nichts davon machen, okay?«
»Schon gut! Schon gut! Reg dich ab. Wir können auch andere Sachen tun.«
»Zum Beispiel?«
»Wir können ein großes Poster von deinem Dad machen, und jeder muss seine Erinnerungen an ihn draufschreiben, und dann hängen wir es irgendwo auf, wo jeder es sehen kann. Das könnten wir tun.«
Ich blicke von meiner Zeichnung auf. »Du hast ihn nicht einmal gekannt.«
»Ich könnte aber so tun. Ich nehme an, er war wie du, nur erwachsen, besser aussehend und nicht ganz so niedergeschlagen.«
»Du kannst nicht einfach so tun, als hättest du jemanden gekannt, der jetzt tot ist«, erwidere
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