Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
Bewegungen, als würde ich Shakeel als Cowboy zeichnen.
»Kann ich mit euch spielen?« Als wir aufblicken, steht Stevie mit ihrem rosa Fahrrad direkt vor uns. Sie lächelt und siehtaus wie eines dieser Plastikkinder aus einer Frühstücksflockenwerbung.
»Kannst du bis hundert zählen?«, fragt Priti.
»Nein«, sagt Stevie.
»Kannst du ›superkalifragilistischexpiallegorisch‹ buchstabieren?«
»Äh … nein.«
»Kannst du zehn Sekunden lang auf dem Kopf stehen oder unter Wasser deinen Atem eine Minute lang anhalten?«
Stevie sieht aus, als wäre sie den Tränen nah, als sie stumm den Kopf schüttelt.
»Dann kannst du nicht mit uns spielen«, sagt Priti. »Jetzt geh weg, denn wir haben wichtige Dinge zu besprechen, die ein dummes Baby wie du nicht verstehen würde.«
Priti wendet sich ab und mustert den abgesplitterten Lack auf ihren Fingernägeln, und so bemerkt sie nicht die Tränen, die in Stevies große blaue Augen treten.
Stevie guckt mich an. Ich werde knallrot und starre aufs Pflaster. Nach einem Augenblick, der mir sehr lang vorkommt, sehe ich ihre kleinen Füße in den glitzersteinbesetzten Schuhen davonradeln. Ich denke an Blythe und komme mir sehr gemein vor.
Ich stehe kurz davor, einen Wutanfall von Priti zu riskieren, indem ich Stevie zurückrufe, als Priti sagt: »Also, wie gesagt, Shakeel könnte das Opfer eines Lynchmordes werden, wenn jemand etwas erfährt.«
»Wer genau soll ihn denn lynchen?«, frage ich und schaue zur unkrautbewachsenen Einfahrt der Sanders hinüber, auf die sich Stevie zurückgezogen hat.
»Weiß ich doch nicht. Wütende Anwohner? Das Bombenkommando?« Sie zuckt mit den Schultern und sieht mich an,plötzlich ist sie ganz ernst. »Was werden sie mit ihm machen, wenn sie ihn verhaften?«
»Auf keinen Fall war das eine echte Terrorabwehreinheit«, sage ich.
»Ich wünschte nur, Jed hätte geschwiegen, bis wir alles Beweismaterial zusammenhaben«, fährt Priti fort. »Dann hätten wir Shakeel selber damit konfrontieren und ihn auf den rechten Weg zurückbringen können. Jetzt weiß keiner, was dein Onkel Ian tun wird.«
»Stimmt schon«, sage ich, aber mit den Gedanken bin ich bei Stevie.
In dem Augenblick kommt Stevies Mutter heraus und ruft sie zum Tee herein. Mein Opa ist der Ansicht, dass nur ungebildete Leute »zum Tee« sagen. Jeder mit einem Anflug von Erziehung spricht von »Dinner« oder »Supper«, sagt er. Ich habe nicht den Eindruck, dass er besonders viel von den Sanders hält.
Mrs. Sanders ist schwanger, und sie hat einen dicken Bauch voll mit Baby, aber sonst ist sie richtig mager. Ihre schlechte, rotfleckige Haut schält sich in der Sonne ab, statt braun zu werden. Sie stellt sich ans hintere Ende der Einfahrt und brüllt erneut Stevies Namen in voller Lautstärke, obwohl die Kleine nur zehn Meter vor ihr entfernt ist (auch das hasst mein Opa). Stevie macht nicht den Eindruck, als wollte sie schon rein. Sie schlurft mit ihren funkelnden Schuhen über den Asphalt, während sie ihrer Mutter folgt, und wir hören, wie sie sagt: »Die großen Kinder wollen nicht mit mir spielen!«
Mrs. Sanders dreht sich um und sieht zu mir und Priti. »Wieso nicht?«, fährt sie ihre Tochter an.
»Die Priti sagt, ich bin ein blödes Baby.«
»Na, die Priti ist ’ne gemeine Kuh«, erwidert Stevies Mutter laut und sieht wieder in unsere Richtung, um sich zu vergewissern, dass wir es gehört haben. Sie bedenkt uns mit einem Blick, der so sauer ist wie eine Zitrone. Dann knallt sie die Haustür hinter sich zu.
»Und du wunderst dich, dass ich mit solchen Leuten nichts zu tun haben möchte!«, sagt Priti. »Komm schon. Gehen wir zu euch und machen mit dem Projekt weiter. Ich muss mich von dem Nilpferd mit den Streichholzarmen nicht blöd anmachen lassen!«
Also gehen wir hinein, und Pritis Laune bessert sich schon bald. Heute passt Oma auf uns auf, weil Pritis Geschwister mit Besorgungen für Shakeels Hochzeit beschäftigt sind und Opa mit Jed zu der Gerichtspsychologin gegangen ist. Und wenn Oma das Kommando hat, benimmt sich Priti ganz etepetete und prinzessinnenhaft, so wie ein Kind in einem Werbespot. Ständig sagt sie: »Ja, bitte, Mrs. Evans« und »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Evans«. Als ich sie frage, weshalb sie so nett tut, erwidert sie: »Willst du damit sagen, dass ich nicht nett bin?«
»Nein, aber normalerweise bist du nicht so mädchenhaft.«
»Du willst also sagen, ich benehme mich wie ein Junge?«
»Manchmal.« Ich zögere, weil sie
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