Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
von rosafarbenen Flocken regnet von ihrer Jeans auf die Wiese unter uns.
»Hört ihr jetzt auf zu quasseln und lasst mich rauf oder was?«, kommt eine laute Stimme von unten.
Als wir hinunterblicken, sehe ich Jed, der unter uns in der Gasse steht. Er klettert über den Zaun und erreicht den Baumstamm, dann ziehen Priti und ich ihn hoch auf die Plattform.
»Wo warst du denn?«, fragt Priti.
»Nur mit meinem Alten frühstücken«, sagt Jed und hebt die Schultern, als wäre das nichts Besonderes.
»Warum ist er denn wiedergekommen?«, fragt Priti. »Ich dachte, er kann nur an Wochenenden.«
»Ich schätze, er macht sich Sorgen um mich, weil dieser Kinderentführer noch frei rumläuft.«
»Glaubt er, der Entführer versucht, auch von uns jemanden zu kidnappen?«, fragt Priti, plötzlich interessiert, obwohl es Onkel Ians Idee war.
»Dich nicht«, sagt Jed. »Mein Dad vermutet, dass sie hinter weißen Kindern her sind.«
»Das klingt ganz nach deinem Dad«, erwidert Priti. »Aber ihm ist nicht klar, dass es bei der Farbe um Gene geht, nicht um Haut.« Sie klingt wieder, als würde sie etwas zitieren.
»Bei Farbe geht es um Farbe, du doofe Nuss.«
»Wie auch immer, wir glauben, dass deine Mum es war, die Stevie entführt hat.« Priti übergeht, was er sagt, als hätte sie so offensichtlich recht, dass jede Diskussion mit ihm unzumutbar wäre. »Weil sie dich so sehr vermisst.«
»Na klar!«, ruft Jed.
»Sie war hier und hat dir nachgestellt. Außer uns hat sie keiner gesehen. Keiner von uns hat gesehen, wie sie ging.«
»Meine Mum war es nicht.« Jed klingt plötzlich wütend.
»Schon gut. Ich habe der Polizei nicht gesagt, dass sie hier war. Ich dachte, du würdest es nicht wollen.«
»Sag ihnen, was du willst. Meine Mum würde so was niemals tun!«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie wäre eine böse Hexe, der alles zuzutrauen ist?«, erwidert Priti.
»Nein, das hat mein Dad gesagt.«
»Na, das ist doch das Gleiche, oder?« Als Priti das sagt, sieht sie ihm direkt in die Augen.
»Nein«, widerspricht Jed. »Das ist es nicht.«
In diesem Augenblick hören wir Onkel Ians Stimme vom anderen Ende der Gasse. »Ich will nicht, dass mein Name dabei auftaucht, klar?«, sagt er. »Sagen wir, ich bin ein Freund der Familie.«
Wir ducken uns nebeneinander an den Rand des Baumhauses, um zu beobachten, was da los ist. Onkel Ian steht mit dem Rücken zu uns und spricht mit einer hübschen Reporterin.
»Die Sache ist doch die«, sagt er. »Außer meinem Jungen und meinem Neffen Ben war Stevie Sanders an dem Abend das einzige weiße Kind hier. Heutzutage gibt es nicht mehr besonders viele weiße Kinder, traurig, aber wahr.«
»Sie glauben also, dass ihr Verschwinden einen rassischen Hintergrund hat?«, fragt die Reporterin.
»Na, das ist ja wirklich eine große Hilfe«, wispert Priti.
»Ich sage weder, dass es so ist, noch, dass es nicht so ist«, erwidert Onkel Ian. »Aber sie finden, dass wir unsere Kinder unpassend anziehen, oder? Da sind die ganzen Kopftuchmädchen und die, die von Kopf bis Fuß in ihre Burkas oder Saris, oder wie das heißt, gekleidet sind, und dagegen die kleine Stevie in einer knappen Weste und Shorts. In ihrer Kultur heißt das vielleicht, dass man sie dazu auffordert, aber in unserer heißt es das nicht.«
Ich werfe einen Blick auf Jed. Er hat die gleichen rosa Flecken auf den Wangen wie Oma, wenn sie sich aufregt.
Priti stößt die Luft lange aus, und ich bin sicher, sie wird schlecht über Onkel Ian reden, deshalb werfe ich schnell ein: »Jed, du siehst nicht gut aus.« Das stimmt zwar nicht, aber darum geht es gar nicht. »Wir sollten dich nach Hause bringen.« Ich schaue Priti bedeutsam an, denn schließlich glaubt sie noch immer, dass er todkrank ist.
Jed erhebt keine Einwände. Er klettert am Baum hinunter, und ich folge ihm, obwohl er nicht gerade dankbar wirkt.
»Sehen wir uns später?«, frage ich Priti.
»Mal gucken«, erwidert sie.
Dann trotten Jed und ich über die Straße. Onkel Ian ist gegangen, und die hübsche Reporterin folgt uns. »Hat euch je jemand angesprochen? Habt ihr das Gefühl, bei den ausländischen Familien willkommen zu sein, die hier wohnen?« Aber wir gehen nur schweigend weiter.
Als wir endlich durch die Haustür sind, wendet sich Jed mir direkt zu und sagt nachdrücklich: »Das ist nur, weil mein Dad sich Sorgen um mich macht, verstehst du!«
Und er sieht aus, als hätte er wirklich das Bedürfnis, dass ich ihm recht gebe, also antworte ich:
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