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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Ich hoffe, du hast gut geheizt.«
    Natürlich verfügte sein Wagen über eine Standheizung, und natürlich hatte er sie auch laufen. Die Polizei sei etwa zwanzig Minuten nach vier aufgetaucht, ganz plötzlich und einfach so, erzählte Hans-Olof, während ich auf dem Beifahrersitz auftaute. Am liebsten hätte ich mich in den warmen Fußraum verkrochen.
    »Ich habe vorne an der Straße gewartet, da, wo wir gestern Abend gestanden sind«, berichtete er. »Alles war dunkel und still … Und auf einmal sind sie von überall her gekommen, aus allen Straßen, mit Blaulicht und Sirene und allem.« Er holte vernehmlich Luft. »Ich dachte, jetzt haben sie dich. Dass du eine Alarmanlage ausgelöst hast, die direkt die Polizei ruft.«
    Ich schüttelte unwillig den Kopf. »Ich war überhaupt nicht drin.« Ich erzählte ihm, dass ich verschlafen hatte. »Ich habe versucht, dich von unterwegs anzurufen, aber du hast gerade telefoniert.«
    »Telefoniert? Ich habe nicht telefoniert.« Er zog sein Gerät aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. »Ich habe bloß kein Netz hier, das war es wahrscheinlich. Verdammt.«
    Er steckte es wieder weg. »Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich habe mit dem Wagen hierher zurückgesetzt und … Na ja, ich habe einfach gewartet, ob du entkommst oder so.
    Und dann hast du plötzlich da vorne an der Straße gestanden und mit jemandem gesprochen. Einem Reporter, oder?«
    »Ja. Er meinte, das Ganze sei eine Bombendrohung.«
    Hans-Olof riss die Augen auf. »Eine Bombendrohung? Das erklärt natürlich einiges.«
    »Das erklärt überhaupt nichts, wenn du mich fragst«, erwiderte ich unwillig. In meinem Kopf pochte es, als bohrten sich kleine Männchen einen Weg aus dem Inneren ins Freie. Trotzdem wusste ich auf einmal, was zu tun war.
    »Kannst du dich morgen krankmelden und zu Hause bleiben?«, fragte ich. Krankmelden. Ich hätte mich am liebsten auch krankgemeldet, wenn das gegangen wäre.
    »Wieso?«, wunderte er sich.
    Ich massierte meine Schläfen, was die bohrenden Männchen dahinter etwas zu beruhigen schien. »Wir müssen die Sache systematisch angehen. Ich komme zu dir, sobald ich mich als Heizungsmonteur oder so was verkleidet habe.«
    Hans-Olof blinzelte. »Und wozu? Was hast du vor?«
    »Ich schätze, gegen elf bin ich bei dir«, sagte ich und langte nach dem Türgriff. »Lass dir nichts anmerken.« Ich hatte keine Lust auf weitere Diskussionen und erst recht nicht darauf, den Seelendoktor für Hans-Olofs diverse Angstzustände zu spielen. Also stieg ich kurzerhand aus und ging.
     
    In Stockholm kurvte ich eine Weile auf der Suche nach einer Apotheke mit Notdienst herum, die mir etwas Stärkeres verkaufte als Aspirin, und kam völlig erledigt in die Pension zurück. Ich hätte gern zwanzig Stunden am Stück geschlafen statt der zwei oder drei, die von dieser Nacht noch übrig waren. Ich hätte mich gerne nicht so fiebrig, erschöpft und aufgedreht gefühlt. Aber lieber als all das hätte ich gern einen ruhigen Moment gehabt, um einmal gründlich nachzudenken, statt von einem Alarm zum nächsten zu hetzen.
    Als ich die Tür aufschloss, sah ich noch eine nackte Frau von der Toilette quer über den Flur huschen und im dritten Zimmer verschwinden. Zurück blieb ein leises, erschrockenes » Förlåt! « und ein durchdringender Geruch nach Sex.
    Irgendwie war es dieser Geruch, der meine Kopfschmerzen vollends zum Durchdrehen brachte. Ich warf ein, was ich hatte, stellte den Wecker ein Stück weiter vom Bett weg und verkroch mich unter die Decke. Die Klamotten behielt ich an, denn die Decke war dünn, und die Heizung kam nicht gegen das abgeklebte Loch in der Scheibe an, das die ganze Wärme auf die Straße entweichen ließ. Diesmal war es ein unruhiger Halbschlaf voller Polizeisirenen, Blaulicht und Hunden, die nach Sprengstoff schnüffelten, aus dem ich schweißgebadet erwachte.
    Allerdings war es nicht mein Wecker gewesen, der mich geweckt hatte, sondern ein lautstarker Streit draußen auf dem Flur. Eine keifende Frauenstimme, eine jammernde Männerstimme, und es nahm kein Ende. Ich äugte auf das Zifferblatt. Verdammt, das waren keine zwei Stunden Schlaf gewesen! Ich zog mir die Decke über den Kopf, was überhaupt nichts half. Schließlich wälzte ich mich übellaunig aus dem Bett und tappte – angezogen war ich schließlich noch – hinaus auf den Flur.
    Doch es waren gar nicht die beiden Sexakrobaten, die miteinander stritten. Als ich die Tür öffnete, stand ich genau

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