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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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in die Schweiz geflogen war, um die Nobelpreisträgerin höchstpersönlich nach Schweden zu begleiten.
    Mit anderen Worten: Mit einiger Wahrscheinlichkeit hatte er noch gar nicht bemerkt, dass ihm Unterlagen fehlten.
    Umso besser. Meine Laune stieg. Nicht viel, dazu wären andere körperliche Voraussetzungen nötig gewesen, aber immerhin.
    Im Äppelgränd flatterten immer noch die Absperrbänder, und ein Polizeiauto mit zwei Beamten darin stand vor dem Haus. Einer gähnte so ausgiebig, dass ich nicht hinschauen konnte, der andere nippte mit verkniffenem Gesicht an einem Kaffee. Ich fuhr langsam an ihnen vorbei bis ans Ende der Straße, wendete und hielt ein Stück hinter ihrem Wagen, so, dass ich das Haus im Blick hatte. Mit heruntergedrehter Seitenscheibe – um hören zu können, was draußen vor sich ging – blätterte ich in meinem Notizblock und tat, als telefoniere ich.
    Die Bewohner des Hauses schienen zurückgekehrt zu sein. Hinter einigen Fenstern brannte Licht, man sah Bewegungen. Im ersten Stock glaubte ich für einen Moment eine Frau zu erkennen, die mir in der Nacht aufgefallen war, eine Blondine mit einer unglaublich hellen, langen Mähne. Oder war es eine Halluzination, verursacht durch Hormonüberschuss? Heute Morgen um halb fünf hatte sie einen neongrünen Morgenmantel angehabt, der ihre sonstigen Vorzüge so deutlich zur Schau gestellt hatte, dass er unmöglich sehr warm gewesen sein konnte. Ich wartete ein paar Minuten, den Blick unverwandt auf das Fenster gerichtet, doch sie kam nicht wieder zum Vorschein.
    Sollte ich versuchen, von den Polizisten unter einem Vorwand mehr zu erfahren? So tun, als sei ich ein Handwerker auf der Suche nach einer Adresse? Riskant. Nach der Bombendrohung lagen die Nerven wahrscheinlich blank. Die Männer brauchten bloß meinen Ausweis sehen zu wollen, dann war ich geliefert. Immerhin hielt ich mich außerhalb von Stockholm auf; eine eindeutige Verletzung meiner Bewährungsauflagen. Nein, beschloss ich. Auch wenn ich nicht in das Gebäude hineinkam: Falls Kristina je hier gewesen sein sollte, inzwischen war sie es bestimmt nicht mehr.
    Ich kurbelte die Scheibe wieder hoch und fuhr weiter.
    Auf dem Weg durchs Zentrum kam ich an einem Computergeschäft vorbei, das gerade öffnete. Ein junger Kerl mit dürrem Kinnbart und einem verwaschenen IBM-T-Shirt war dabei, die Gitter vor den voll gestopften Schaufenstern hochzudrehen.
    Ich parkte etwa fünfzig Meter weiter, vergewisserte mich, dass ich die Diskette und meine Werkzeugtasche einstecken hatte, stieg aus und marschierte in den Laden.
    » Hej « , begrüßte er mich. Ich war der erste und bisher einzige Kunde, und so, wie er mich ansah, hatte er so früh am Tag noch nicht mit störender Kundschaft gerechnet. »Brauchen Sie was Bestimmtes?«
    » Nej « , erwiderte ich und versuchte so auszusehen, als habe ich alle Zeit der Welt, geradezu Langeweile. »Ich will mich nur mal umsehen. Vielleicht finde ich was, was ich mir zu Weihnachten wünschen kann.«
    »Okay. Wenn Sie was wissen wollen, ich bin im Büro.« Er deutete auf einen schmalen Durchgang hinter der Kasse, der in ein Gelass führte, das kaum größer als eine Telefonzelle und bis in die Ritzen mit Papieren und Ordnern voll gestopft war. Ach ja, und ein Bildschirm flimmerte auch. Und das, was da flimmerte, sah aus wie eine nackte Frau.
    Das musste dieses berühmte Internet mit seinen Millionen von Sexangeboten sein, von dem ich die letzten Jahre so viel gehört hatte. Offenbar störte ich den Mann bei einem vormittäglichen Vergnügen.
    »Alles klar«, erwiderte ich und nickte in Richtung der eingeschalteten Computer. »Ich würde gern ein bisschen herumspielen, gucken, wie schnell die Programme laufen, solche Sachen …«
    »Klar. Sie brauchen sich bloß einzuloggen, das Passwort ist auf allen Rechnern ›Kunde‹.«
    Er schien froh zu sein, dass ich mich mit einem knappen Nicken zwischen die Regalreihen verzog, und ich war zufrieden, dass er mich in Ruhe ließ. Wie alle Computergeschäfte hatte auch dieses jemand ohne den geringsten Sinn für Ästhetik eingerichtet. Ich suchte mir einen Computer in der hintersten, uneinsehbarsten Ecke aus und nestelte unterdessen einen Pick aus meinem Ledertäschchen.
    Computerhändler hatten es schon zu meiner Zeit nicht gern gesehen, wenn ihre Kunden Disketten mitbrachten und in die Laufwerke ihrer Rechner steckten, und es war nicht davon auszugehen, dass sich daran inzwischen etwas geändert hatte. Auf so einer Diskette

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