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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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angerufen haben, okay?«, sagte ich. Hans-Olof versprach es.
    Danach stand ich in der Telefonzelle und dachte nach, während mir die Kälte von unten her in die Beine kroch. War das mit Basel eine gute Idee? Dafür musste ich mindestens drei Tage einkalkulieren. Hinflug, Auskundschaften der Gegend, Rückzugswege sichern und so weiter. Riskant. Extrem riskant. Ich würde nicht alles an Ausrüstung im Flugzeug mitnehmen können, was ich brauchte. Ich würde vieles vor Ort besorgen müssen, und das Wochenende stand bevor. Und selbst wenn ich etwas herausfand, war ich weit weg von Schweden.
    Das wollte gut überlegt sein. Trotzdem schob ich die Telefonkarte noch einmal in den Apparat und rief den Flughafen an. Von einer genervt klingenden Frau ließ ich mir die nächsten Verbindungen nach Basel durchgeben, beginnend morgen, Freitag, den fünften Dezember.
    Mit dem Zettel in der Hand verließ ich die Zelle, tappte zum Auto zurück und musste das lang gestreckte gelbe Backsteingebäude auf der anderen Seite der Straße ewig lang anglotzen, ehe ich begriff, wo ich gelandet war. Das war die Bergströmschule. Kristinas Schule. Irgendwo auf dem Weg zwischen diesem düsteren Portal dort vorne und dem kaum achthundert Meter entfernten Haus mussten sie ihr aufgelauert und sie in einen Wagen gezerrt haben, am helllichten Tage und ohne dass jemand etwas bemerkt hatte.
    Na ja. Gut möglich, dass jemand etwas bemerkt, sich aber nicht weiter darum gekümmert hatte.
    Etliche der Fenster waren hell erleuchtet, die Kinder emsig bei der Arbeit. Seltsam, wenn man von außen in eine Schule hineinschaut, sieht es immer so aus, als seien alle aufrichtig interessiert an dem, was der Lehrer erzählt.
    Ich warf einen prüfenden Blick in das schmale Rückenfach meiner Werkzeugtasche. Alles noch da, was ich brauchen würde.
    Dass es klingelte, während ich auf die Schule zuging, und mir Horden befreiter Kinder entgegenströmten, als ich mir den Weg ins Innere bahnte, kam mir gerade recht. Ich fragte mich zur Klasse 8A durch, und eine verkniffene alte Hexe meinte schließlich: »Die da. Das ist die Klassenlehrerin.«
    Die da war eine junge, schmale Frau mit braunen Locken, die nicht nur völlig unschwedisch wirkte, sondern vor allem endlos naiv. »Ja, bitte?«, fragte sie, als ich sie ansprach, und dabei schaute sie mich mit weit aufgerissenen Augen an, die noch nicht viel gesehen haben konnten vom wirklichen Leben.
    Ob ich sie wohl einen Moment sprechen könnte, fragte ich und fügte hinzu: »Unter vier Augen?«
    »Ja, klar«, plapperte sie fröhlich. Sie zog den Schlüsselbund hervor, mit dem sie das Klassenzimmer gerade abgeschlossen hatte. »Das haben Sie gut erwischt, ich habe im Moment Schluss. Wir haben also alle Zeit der Welt. Gehen wir hier rein, wenn es Ihnen recht ist?«
    Ich versicherte ihr, dass mir jeder Ort recht sei, an dem wir ungestört reden konnten. Sie schloss wieder auf, vornübergebeugt, sodass ich ihren Hintern zu sehen bekam. Es war ein fester, apfelförmiger Hintern in einer eng anliegenden Hose. Einen Moment lang schoss mir die lendengesteuerte Vorstellung durch den Kopf, diesen Hintern mit beiden Händen zu packen, nackt, und … nun ja. Das Positronen-Dings von Sofía Hernández Cruz hätte in diesem Augenblick zweifellos allerhand interessante Prozesse in meinem Gehirn gemessen.
    Im Klassenzimmer roch es nach Staub, Kreide und etwas, das Parfüm oder auch Schweiß sein mochte, ein eigenartiger Geruch, der Erinnerungen wachrief. Die Tische waren zu Vierergruppen zusammengestellt, und an einer davon nahmen wir Platz. Ich hatte einst auch an solchen Tischen und auf solchen Stühlen gesessen, aber ich hatte sie größer in Erinnerung.
    »Nun, worum geht es?«, fragte sie mit einem Lächeln, als gäbe es nichts Böses auf der Welt. »Ich versuche die ganze Zeit, mich an Ihren Namen zu erinnern, aber ich komme nicht drauf. Sie waren noch nie bei einem Elternabend, oder?«
    »Nein«, sagte ich und zog die in Plastik eingeschweißte Karte hervor, die ich vorhin aus meiner Werkzeugtasche in meinen Geldbeutel umgesiedelt hatte. »Sie kennen mich nicht. Mein Name ist Gunnar Nilsson.«
    »Nilsson? Aber Sie sind nicht der Vater von Lars. Den kenne ich.«
    Ich schob die Karte über den Tisch vor sie hin. »Erschrecken Sie jetzt nicht«, sagte ich in meinem besten Verschwörertonfall. »Das ist mein Ausweis. Ich bin Privatdetektiv. Kristina Anderssons Vater hat mich beauftragt, nach seiner Tochter zu suchen.«
    » Privatdetektiv? «

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