Der Nobelpreis
Ihre ohnehin großen Augen wurden noch größer, als sie den Ausweis in die Hand nahm. Sie hatte übrigens auch beachtliche Brüste.
»Ja«, sagte ich. »Es gibt diesen Beruf wirklich.« Ich glaube, ich kann diesen Spruch inzwischen wirklich überzeugend bringen. So, als wäre ich ein echter Privatdetektiv, dem die Reaktionen der Leute längst zum Hals heraushängen.
Dabei bin ich mir selber nicht einmal sicher, ob es außerhalb von Krimis und Filmen wirklich Privatdetektive gibt. Ich jedenfalls habe noch keinen getroffen. Selbstredend war auch mein Ausweis nicht echt. Wie alle falschen Ausweise, die ich benutzte, stammte auch dieser von einer thailändischen Firma, die völlig legale falsche Dokumente herstellt und gegen geringe Gebühr in alle Welt verschickt – Personalausweise nicht existierender Staaten, Mitgliedsausweise nicht existierender Organisationen, Prüfungsurkunden für Berufe, die man ohne jede Prüfung ausüben darf, und so weiter. Ausweise angeblicher Reporter, Privatdetektive oder Geheimagenten gehören noch zu den preiswertesten Angeboten. Trotzdem sehen sie wirklich beeindruckend aus.
Sie reichte mir die Karte zurück, und es war deutlich zu spüren, dass sie mich auf einmal mit ganz anderen Augen betrachtete. Ein Phänomen, das man mit diesen Ausweisen häufig erlebt. Wenn man es richtig anstellt, kann es bei einer Verführung enorm nützlich sein.
»Kristina suchen?«, wiederholte sie. »Ich verstehe das nicht. Uns hat man gesagt, Kristina habe Krebs und sei im Krankenhaus. Seit über acht Wochen inzwischen.«
Ich nickte mit ernster Miene. »Nun, das stimmt nicht. In Wirklichkeit ist sie einfach verschwunden, und wir denken, dass sie nicht alleine ist.« Damit hatte ich zum ersten Mal, seit wir zusammensaßen, nicht gelogen.
Sie schlug die Hand vor den Mund. Ihre Augen waren wirklich unglaublich. Riesig, glänzend, tiefbraun wie polierter Palisander. Sie holte mehrmals tief Luft, an der Hand vorbei, ehe sie wieder etwas herausbrachte. »Verschwunden? Kristina? Mein Gott, mein Gott. Was für eine Erleichterung! Ich meine, gut, ihr Vater macht sich Sorgen, aber es ist doch immer noch besser als Krebs. Bei einem so jungen Mädchen, meine Güte …«
Ich behielt den Ausweis in der Hand, spielte damit herum. Ein erprobter Kniff. »Zweifellos«, sagte ich. »Aber ihr Vater hat schon lange nichts mehr von ihr gehört. Er hat Angst, dass ihr etwas zugestoßen ist.«
Sie nickte heftig. »Ich verstehe. Ja, ich glaube, ich würde sterben vor Angst …« Einen Moment lang starrte sie mit glasigen Augen vor sich hin, war mit den Gedanken sichtbar woanders. Dann schüttelte sie unwillig den Kopf. »Aber warum um Gottes willen hat er behauptet, Kristina sei todkrank? Wie kann man so etwas tun? Das war für uns alle ein ungeheurer Schock.«
Ich nickte voller Verständnis. »Das hat er sich zweifellos nicht sehr gut überlegt. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber wissen Sie, er wollte einfach keinen Skandal. Die einzige Tochter, womöglich mit jemandem durchgebrannt … und das in seiner Position … Nun, und als Mediziner liegen gewisse Ausreden eben besonders nahe.«
Sie nickte sinnend, schien aber überhaupt nicht richtig zuzuhören, sondern mit den Gedanken noch immer ganz woanders zu sein. Ich bemerkte, dass ihr Blick an dem Ausweis hing, den ich in meinen Händen drehte, und auf einmal kam mir der Gedanke, ob ich nicht tatsächlich versuchen sollte, sie ins Bett zu kriegen. Sie war nicht unbedingt mein Typ, aber irgendwie sexy. Wenn sie nur halb so naiv war, wie sie wirkte, konnte es nicht allzu schwer sein. Und mir würde es unter Garantie gut tun.
»Durchgebrannt?«, wiederholte sie nachdenklich. »Kristina? Das ist irgendwie …« Sie sah mich forschend an. »Ich nehme an, Sie wissen über ihre Mutter Bescheid?«
Ich tat erstaunt. »Nein, wieso?« Mich interessierte, was sie wusste. Und woher.
Sie lehnte sich etwas zurück, was nebenbei ihre Brüste besser zur Geltung brachte. Sie trug keinen BH, das war unter dem Stoff ihres dünnen Pullovers deutlich zu erkennen. Und ihre Brustwarzen hatten die Größe von Örestücken.
»Dass sie tot ist, wissen Sie, nehme ich an? Vor fünf Jahren, glaube ich. Ein Autounfall.«
Ich nickte nur.
»Aber als junges Mädchen ist Kristinas Mutter auch durchgebrannt«, erzählte sie mit einfältig wirkender Begeisterung.
»Sie ist zusammen mit ihrem Bruder aus dem Waisenhaus geflüchtet, in dem die beiden aufgewachsen sind. Und damals war sie so alt wie
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